Italien: Zwei Drittel haben rechts gewählt

Mamma mia!

Oliver Fahrni

Europa rutscht scharf nach rechts, der neue ­Nationalismus ist auf dem Vormarsch. Nun auch in Italien.

BEPPE GRILLO: Der Komiker hat die rechte Cinque-Stelle-Bewegung 2009 ins Leben gerufen. (Foto: Andreas Solaro / AFP)

Stunde null in Italien. Das Land ist am 4. März politisch weit nach rechts gerutscht. Die Antipolitikbewegung der Cinque Stelle ist mit 33 Prozent zur stärksten Partei aufge­stiegen, rechts aussen hat der Rassist und Europafeind Matteo Salvini von der Lega den langjährigen Regierungschef Silvio Berlusconi überflügelt. Die heute regierende Linke (Demokratische Partei, PD), die bei den letzten Europawahlen noch 40 Prozent der Stimmen gemacht hatte, wurde brutal geschlagen (18 Prozent). Und der Versuch, eine systemkritische Linke zu lancieren (LEU), ist gescheitert.

Italien ist nach den Wahlen dreigeteilt aufgewacht: In der Lombardei und im übrigen Norden macht die Lega die rechte Musik, in Zentralitalien widersteht die PD, im Süden hat sich die arbeitslose Jugend mit dem Votum für Cinque Stelle gerächt.

Italien ist das politische Labor Europas.

Jetzt zittern die Demokraten Europas vor einer Machtergreifung Salvinis. Der Mann, der mit Marine Le Pen vom Front national befreundet ist, hat an einer Demo in Mailand schon mal provokativ einen Amtseid abgelegt. Damit drohte er, die Macht notfalls auch mit undemokratischen Mitteln zu ergreifen. Denn die Lega hat faktisch nur etwa halb so viel Stimmen gemacht wie Cinque Stelle.

KEINE REGIERUNGSMEHRHEIT

In Italien ist immer mal wieder Stunde null. Es ist das politische Labor Europas. So kam hier der ­Faschismus an die Macht, lange vor den Nationalsozialisten in Deutschland. Mit Salvini in Rom würden wohl auch anderswo in der EU die Dämme brechen.

Die gute Nachricht: Weder Salvini noch Cinque-Stelle-Mann Luigi Di Maio werden eine Mehrheit für die Regierungsbildung finden. Es sei denn, der PD bandle mit Di Maio an, wie dies einige PD-Köpfe wünschen. Es wäre das definitive Ende der Linken. Niemand weiss, was die Fünfsterne-Bewegung, die genaugenommen ein Konzern im Besitz des IT-Unternehmers Davide Casaleggio ist, wirklich plant. Im Wahlprogramm verlangte sie den Ausstieg aus dem Euro. Drei Wochen vor der Wahl schwenkte Di Maio auf europafreundlich. Drei Tage danach machte die Partei, von Casaleggio gesteuert, eine erneute Spitzkehre auf Abschottung.


Italien nach der Wahl Eine neue Linke muss her!

Drei Fragen an Corrado Pardini, SP-Nationalrat, Unia-Mann und schweizerisch-italienischer Doppelbürger.

Corrado Pardini, Unia-Industriechef (Foto: Unia)

work: Zwei Drittel der ­Italienerinnen und Italiener haben rechts bis ­rechtsextrem gewählt. Was blüht nun Italien – und Europa?
Corrado Pardini: Vorerst nicht viel. Weder Cinque Stelle noch die Lega von Salvini können eine Regierung bilden. In ein paar Monaten wird es wohl Neuwahlen geben.

Nur hat der Partito Democratico (PD) fast die Hälfte seiner Stimmen ­verloren. Eher schlechte Aussichten für eine Neuwahl?
Eine Chance hat die Linke nur, wenn sie sich als sozialdemokratische Kraft neu erfindet, also von der liberalen Linie von Matteo Renzi abrückt. Anders als in Frankreich ist die Sozialdemokratie in Italien nicht tot. In der Toscana, wo sie schon lange regiert, hat sie gewonnen.

Nur blockiert Renzi die Partei weiter. Wer soll das richten?
Ich sehe keinen anderen Kopf im PD. Darum fällt heute den Gewerkschaften eine historische Rolle zu. CGIL, CISL und UIL sollten ihre 10 Millionen Mitglieder zusammenlegen und die politische Wende im PD erzwingen. Das wäre ein Befreiungsschlag.


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