Arbeitskämpfe im 21. Jahrhundert:

Sechs Streiks, die Geschichte schrieben

Ralph Hug

Streiken heisst sich wehren. Für mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen, gegen Arbeits­platzverlagerungen oder Schliessungen, obschon die Firma Gewinne schreibt. Das ist heute so aktuell wie früher.

Provozierten einst arrogante Fabrikherren Arbeitskämpfe, sind es heute finanzgetriebene Konzerne, abgehobene Manager und Patrons, die die Sozialpartnerschaft mit Füssen treten. Seit zwanzig Jahren nimmt die Zahl der Streiks in der Schweiz denn auch wieder zu. Und: 90 Prozent aller Streiks sind erfolgreich!

Baugewerbe Der grosse Durchbruch

(Foto: Keystone)

Der Kampf um die Frühpensionierung war der grösste und wichtigste Streik der letzten 20 Jahre. Eine ganze Branche streikte 2002 landesweit. 15 000 Bauarbeiter waren auf der Strasse – als Höhepunkt blockierten sie den Bareggtunnel. Die Baumeister lenkten ein. Seitdem können die Bauleute mit 60 vorzeitig in Pension. Ein Durchbruch, vergleichbar mit der Einführung der ersten bezahlten Ferienwoche 1944, der Fünftagewoche 1962 oder des 13. Monatslohns 1973.

Swissmetal in ReconvilierVier Monate Streik

(Foto: Pierre Noverraz)

Der Jobabbau im Swissmetal-Betrieb «La Boillat» im Berner Jura folgte der Logik des Finanzkapitalismus. Daraus gewann der zwei Jahre dauernde Kampf der Büezer seine Bedeutung. Ihr Streik in den Jahren 2004 und 2006 dauerte zusammen volle 137 Tage. Die ganze Bevölkerung stand dahinter. Doch das rüde Management blieb stur. Der Arbeitskampf endete am Schluss ergebnislos. Der Niedergang von «La Boillat» war nicht mehr aufzuhalten.

SBB-Officine in Bellinzona«Hände weg!»

(Foto: Keystone)

«Giù le mani!» So lautete der griffige Slogan der 430 Tessiner Büezer, als sie sich 2008 gegen den drohenden Abbau der SBB-Werkstätten in Bellinzona wehrten. Und das ganze ­Tessin kämpfte mit. 33 Tage lang stand der Betrieb still. ­ Ein Streikkomitee führte den Arbeitskampf. Die SBB mussten schliesslich klein beigeben, versuchten aber später weiterhin, den Standort auf kaltem Weg zu schwächen.

Novartis in NyonKönig Vasella bezwungen

(Foto: Neil Labrador)

Der Pharmakonzern unter Grossabzocker Daniel Vasella wollte kaltblütig den Standort bei Nyon schliessen. Trotz Milliardengewinnen. 400 Angestellte wehrten sich mit ­Demos und Petitionen – und streikten 2011 einen Tag lang. Ein voller Erfolg, da sich auch die Region und der Kanton Waadt gegen die Fabrikschliessung wehrten. Der Betrieb bleibt und wird unter neuer Führung sogar noch ausgebaut.

Spar in Heimberg und DättwilFrauenstreik

(Foto: Florian Aicher)

2009 und 2013 hatten Spar-Angestellte genug von Überstunden und miesen Löhnen. Die Frauen streikten in Heimberg BE und Dättwil AG an insgesamt 13 Tagen – und schrieben damit Geschichte: Der Mythos vom streikfreien Detailhandel war fortan dahin. Und gleich auch jener von Angestellten, die angeblich nie streiken. Spar schuf mehr Stellen ­und hob die Mindestlöhne an. Am aggressiven Gebaren des Detailhändlers hat sich jedoch nicht viel geändert.

PrivatSpitex in Küsnacht ZHGegen Hungerlöhne

(Foto: Tom Karawa)

Pflegerinnen aus Polen in die Schweiz locken und dann zu miesen Löhnen in vermögenden Privathaushalten rund um die Uhr schuften lassen: das ist das Geschäftsmodell von Privat­spitexfirmen wie der Primula AG an der Zürcher Goldküste. Hunderte von unbezahlten Überstunden hatten die Pflege­frauen angehäuft, als sie die Nase voll hatten und 2014 während 25 Tagen in den Streik traten. Die Firma kapitulierte mit verbindlichen Minimallöhnen und einer 42-Stunden-Woche.


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