Editorial

Sagen, was ist

Marie-Josée Kuhn

Marie-Josée Kuhn, Chefredaktorin work

Multimillionär Christian Baha (48) aus Wien mit Wohnsitz im steuergünstigen Monaco mag keine negativen Schlagzeilen. Ein Wort zu viel – und schon hat man einen Prozess am Hals. Der Österreicher, der den Muskel- und Landsmann Arnold Schwarzenegger seinen Freund nennt und selbst schon als Amateurschauspieler in Blockbustern wie «Transformers 3» auftrat, kann Wahrheit nicht ertragen.

Als work im Mai 2016 über polnische Arbeiter und Tieflöhne auf der Baustelle von Schloss Sonnenberg in Stettfurt TG berichtete, war der Schlossherr not amused und erwirkte sofort ein superprovisorisches Verbot. Er liess der Unia verbieten, seine Tieflöhne als das zu bezeichnen, was sie sind: Lohndumping. Jetzt ist Baha vor Gericht abgeblitzt. Ein schöner Erfolg für die Unia. Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Erst­instanzlich dürfen wir den feinen Herrn aber offiziell «Lohn­dumper» nennen und «Finanzspekulant». Lohndumper deshalb, weil die von Baha bezahlten Löhne «weit weg vom ortsüblichen Lohn» seien. Und Finanzspekulant drum, weil der Mann sein Geld schliesslich mit risikobehafteten Gewinnen gemacht habe. Das ist Musik! Und weil’s so gut tut, grad nochmals erstinstanzlich: Lohn­dumper, Lohn­dumper, Lohndumper!

Lohndumper, Faschistin, Rassist.

WOHLTAT. Es gibt sie also doch: Gerechtigkeit. Nicht immer können die Grossen mit den Millionen ihre Kritikerinnen und Kritiker mit Klagen mundtot machen. Auch so eine Wohltat: Wir dürfen die Führerin des rechtsextremen Front national «Faschistin» nennen. Das hat ein Pariser Gericht 2014 entschieden. Mit ihrer Klage wollte Marine Le Pen einen ihrer pointiertesten Gegner, den Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon, abstellen. Ohne Erfolg. Wichtig und gut, können wir die Frau nun beim Namen nennen. Schliesslich weibelt sie mit rassistischem Zungenschlag für die Einführung der Todesstrafe und für «null Prozent Ausländer».

SPRUTZ. Überhaupt die Rassisten. Sie toben und geifern in den sozialen Medien, dass es nur so spritzt. Da kann es schon mal passieren, dass so ein brauner Sprutz ins eigene Auge geht. So wie beim SVP-Politiker Marcel Toeltl aus St. Mar­grethen SG. Bei ihm darf man höchstrichterlich Klartext reden und ihm «Nazi» sagen und «Rassist». Da gibt das Bundesgericht der Vor­instanz vollumfänglich recht, die befand: In den sozialen Medien tue Toeltl eine Denkhaltung kund, die «just dem zu entsprechen scheint, was als Rassismus definiert werden kann». Ist das nicht schön gesagt?


Weitere Artikel zum Thema:

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.