work-Kommentar

Pfui Dörig

Anne-Sophie Zbinden

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Swiss-Life-Präsident Rolf Hugo Dörig (65) residiert in einer 20-Millionen-Villa in Küsnacht ZH mit Seeanstoss. Ein heimeliges Nest für seine Frau und seine drei mittlerweile erwachsenen Söhne. Lange der FDP nahe, ist er jetzt zur SVP konvertiert, weil diese «wertkonservativer und zuverlässiger» sei und besser zu seiner «Heimatverbundenheit» passe, sagte er dem «Sonntagsblick». In seiner Ignoranz gegenüber Widersprüchen hat sich Dörig schon vollständig eingesünnelet.

Swiss-Life-Chef Dörig will zurück zum unmenschlichen Saisonnierstatut.

PROFITEURE. Ausgerechnet als Neo-Mitglied der scheinbar so familienliebenden Volkspartei fordert Dörig jetzt die Wiedereinführung des Saisonnierstatuts. Denn ja, Fachkräfte seien «hochwillkommen», zum Beispiel in der Pflege oder in der Landwirtschaft. Dörig: «Eine zeitlich begrenzte Aufenthaltsbewilligung ohne Familien käme wohl vielen entgegen.» Tatsächlich käme es wohl hauptsächlich kapitalistischen Profiteuren wie ihm entgegen, wenn Migrantinnen und Migranten in der Schweiz bauen, pflücken und pflegen würden, zuvor aber das Recht auf ein menschenwürdiges Leben an der Grenze abgeben müssten.

Die meisten Fachkräfte kämen sowieso nur, weil sie mehr verdienen wollten als in ihrer Heimat. Migration als Luxusproblem? Geht’s noch, Herr Dörig! Da liegen Sie falsch, erschreckend falsch. Denken Sie, Menschen in anderen Ländern seien nicht ebenso heimatverbunden wie Sie? Niemand verlässt einfach so seine Familie, seine Heimat, um in der Schweiz für einen Hungerlohn 12 Stunden pro Tag Gurken zu pflücken und sich nachts in die Baracke zu zehn anderen Pflückern zu legen. Nein, Herr Dörig, zum Saisonnierstatut wollen wir nie mehr zurück. Das Saisonnierstatut zerreisst Familien, traumatisiert Kinder, zerstört Biographien. Es sorgt für Lohndruck, Schwarzarbeit, Ausbeutung und Willkür.

POLSTER. Dörig muss sich nicht über­legen, ob er wohl im Ausland ein besseres Leben hätte. Allein für das Swiss-Life-Präsidium garniert er 1,2 Millionen Franken pro Jahr. Der Mann mit den Perfekter-Schwiegersohn-Allüren polsterte sein Portemonnaie als Ämterkumulierer par excellence, gut verfilzt mit der Zürcher Finanzelite: Ex-CS-Banker, Ex-Adecco-Verwaltungsratspräsident, Ex-Präsident des Versicherungsverbandes SVV, Verwaltungsrat beim Autohändler Emil-Frey AG – seine existentiellen Ängste dürften sich in Grenzen halten.

Widerspruchsimmun regt er sich trotzdem auf über das «Gehabe einer wohlstandsverwöhnten Minderheit». Und kultiviert die Zuwanderung als grösstes Problem der Schweiz, als ob er sein ganzes Leben in der SVP verbracht hätte. Kein Wort zu Teuerung, Klima­krise oder Krieg in Europa. Sorgen bereitet ihm die Zuwanderung, weil sie «Infrastruktur und Umwelt zu stark belastet». Fürchtet er etwa doch um seine Villa am Zürisee?

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