Prävention von Gewalt gegen Frauen
Nationalrat kommt zur Vernunft

Es brauchte eine Spontan-Demo auf dem Bundesplatz und eine halbe Million Unterschriften, damit sich der Nationalrat jetzt doch noch für eine zusätzliche Million zum Schutz von Frauen durchringen konnte.

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SKEPTISCH: Die Nationalrätinnen Anna Rosenwasser (SP), Tamara Funiciello (SP) und Aline Trede (Grüne, v.l) verfolgen die Diskussion um die zusätzliche Million für Gewaltprävention. (Foto: Keystone)

Es ging um diese eine Million. Im Verhältnis zu den Bundesausgaben von über 90 Milliarden ein Klecks. Doch selbst dieser Klecks war dem SVP-Nationalratspräsidenten Pierre-André Page zu viel, um Gewalt gegen Frauen einzudämmen. In der aktuell laufenden Budgetdebatte hatte der Nationalrat eine Erhöhung von 2,5 auf 3,5 Millionen Franken für Gewaltprävention abgelehnt.

Das Resultat fiel äusserst knapp aus: 93 Nationalrätinnen und Nationalräte befürworteten das Anliegen, 93 stimmten dagegen. Der Entscheid lag also bei Nationalratspräsident Pierre-André Page (SVP). Er stimmte gegen die Erhöhung. Und sorgte damit für Empörung. In Rekordzeit mobilisierten progressive Kreise um die beiden SP-Nationalrätinnen Tamara Funiciello und Anna Rosenwasser eine Demo auf dem Bundesplatz. Hunderte kamen. Und über eine halbe Million Menschen unterschrieben eine entsprechende Petition. Der Protest zeigte Wirkung. Der Nationalrat hat jetzt eine Kehrtwende gemacht und sich doch noch für die zusätzliche Million ausgesprochen, mit 115 zu 72 Stimmen bei 9 Enthaltungen.

EIN ZEICHEN GESETZT: Hunderte demonstrierten letzte Woche auf dem Bundesplatz gegen die Entscheidung des Nationalrats. (Foto: David Fürst)

Affront gegen alle Frauen

Denn das Thema schmerzt akut: 27 Femizide musste die Schweiz dieses Jahr bereits verzeichnen. Doch das ist «nur» die Spitze des Eisberges: nahezu alle Frauen erleben im Laufe ihres Lebens sexualisierte Gewalt. Jede zweite Frau an ihrem Arbeitsplatz. Der Entscheid des Nationalrates, und insbesondere des SVP-Nationalratspräsidenten, war daher ein Affront gegen alle Frauen.

Mailflut

Parallel zum Aufruf halfen tausende Mails den Ständerätinnen und Ständeräten bei der Millionen-Frage auf die Sprünge. Doch statt sich darüber zu empören, dass der Nationalrat Frauen nicht besser vor Gewalt schützen will, war der Unmut über die Mailflut im bürgerlichen Lager medial unüberhörbar. Es sei wie ein russischer Hackerangriff, sagte FDP-Ständerat Andra Caroni. Mitte-Nationalrat Martin Candinas fand die Aktion «unschweizerisch». Er hatte gegen die Erhöhung des Budgets für die Gewaltprävention gestimmt. Als ob das schweizerischer wäre…

Nicht das erste Mal

Es ist nicht das erste Mal, dass das Parlament beim Thema sexualisierte Gewalt knausert. Auch die im November lancierte erste nationale Präventionskampagne gegen Gewalt an Frauen wäre beinahe gescheitert. Auch dort brauchte es eine Petition und einen offenen Brief an Finanzministerin Karin Keller-Sutter.

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