Boss der Matratzen-Firma Swisspur:
Hungerlohn den Büezern, Porsches seinen Buben

In der St. Galler Betten-Bude Swisspur chrampfen Osteuropäer jahrelang für unter 3000 Franken. Wer sich wehrt, fliegt. Die Jungmannschaft klotzt mit Papis Luxusschlitten. Jetzt droht Streik. Und der Chef versucht den Abgang durchs Steuerparadies. 

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DER SCHEIN TRÜGT: Swisspur-Chef Michael Janzik bewirbt Luxus-Betten und der Sohn posiert vor dem Luxus-Auto. Währenddessen chrampfen die Büezer für Hungerlöhne. (Fotos: Instagram/pd / Montage: work)

Normalerweise sind Lohndumper gerissene Versteckprofis. Aber manchmal schreiben sie den Bschiss ganz unverblümt in die Arbeitsverträge hinein. So geschehen bei Katalin Nagy* (54), einer Näherin aus Ungarn, die 2020 eine Vollzeitstelle in der Matratzen- und Betten-Fabrik Swisspur im St. Galler Rheintal angetreten hat: «Der Bruttolohn beträgt monatlich 2720 Franken. Ein weiterer Entschädigungsanspruch (Spesen usw.) besteht nicht.» So lapidar steht’s im Vertrag, der work vorliegt. Bloss: Solche Hungerlöhne verbietet der Gesamtarbeitsvertag (GAV) für die Schweizer Möbelindustrie. Dieser gilt explizit auch für Firmen, die «Betten industriell herstellen». Für ungelernte Hilfskräfte schreibt er minimal 4060 Franken vor, zudem einen 13. Monatslohn. Swisspur scheint’s egal. Der Näherin Nagy blieben nach Abzug der Sozialbeiträge und der Quellensteuer jeweils rund 2300 Franken.

Keine Lohnzettel, kein Vertrag

Kaum besser hatte es Akos Tar. Der 27jährige Rumäne war bei Swisspur gut zwei Jahre Allrounder in der Spedition und Produktion. Sein Nettolohn: 2742 Franken. «Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel», sagt Tar heute. Über die Runden sei er nur gekommen, weil er und sein Vater, ebenfalls Swisspur-Arbeiter, alles geteilt hätten. Die Wohnung, die Einkäufe, sogar das Handy. Oft war Tar auch als Lieferant unterwegs. Laut GAV stünden ihm dafür täglich 19 Franken Spesen zu. Doch auch das habe es nie gegeben. Nicht einmal eine Zeiterfassung kenne Swisspur, Lohnabrechnungen würden nur nach mehrmaligem Verlangen ausgehändigt, und wie viele Kollegen habe auch er nicht einmal einen Arbeitsvertrag bekommen. All das bestätigt Tars ungarischer Kollege Aron Tamas (26). Er selbst habe zwar einen Vertrag erhalten, da er darauf beharrt habe. Doch auch Tamas sagt:

Es gab immer wieder Schwarzarbeiter bei uns!

Damit nicht genug. Die Arbeitssicherheit sei äusserst mangelhaft gewesen, sagen Tar und Tamas. Sie legen Bilder vor von einem Büezer, der sich von einem Stapler in die Luft heben lässt, um an die oberen Regale zu kommen. «Das war Standard bei uns», sagen die beiden. Zwar sei im letzten Sommer eine Sicherheitsleiter geliefert worden, doch diese sei nicht höhenverstellbar und daher für die meisten Arbeiten unbrauchbar.

ARBEITSSICHERHEIT MANGELHAFT: Büezer muss sich vom Stapler heben lassen. (Foto: zvg)

Videos zeigen ausserdem, wie ein Arbeiter Leim versprüht – «geschützt» bloss mit einer «Coronamaske»:

UNGENÜGEND: Die «Coronamaske» schützt da nicht. (Video: zvg)

Oder wie es in der Fabrik von der Decke tropft:

UNDICHT: Bei Swisspur tropft es von der Decke. (Video: zvg)

Nach einem halben Jahr beschwerte sich Tamas in einem Brief bei Swisspur-CEO Michael Janzik (55). Abgekürzt heisst es darin: «Bitte halten Sie sich an Gesetz und GAV.» Für den Chef offenbar zu viel.

BÜEZER WEHREN SICH: Brief an den Chef. (zvg)

Janzik warf Tamas unvermittelt raus. Ebenso zwei andere Arbeiter, die den Brief mitunterzeichnet hatten. Wobei der Chef es zuerst mit Schweigegeld versucht haben soll. «Einem Kollegen bot er 5000, dann 10'000 Franken an», sagt Tamas. Doch die Arbeiter wollten nachhaltige Rechtmässigkeit – und zudem die rückwirkende Zahlung ihres korrekten Lohns.

Die Geschassten wandten sich daher an die Unia in St. Gallen. Und diese fand heraus: Swisspur hatte allein die drei um total rund 50'000 Franken geprellt – und das innert weniger Monate. Kurz darauf meldete sich auch Allrounder Tar bei der Unia. Auch er war rausgeschmissen worden, nachdem er mehr Lohn gefordert hatte. Knapp 27'000 Franken schuldet ihm Swisspur laut der Unia. Mittlerweile ist die komplette Belegschaft der Gewerkschaft beigetreten, ein gutes Dutzend Ungaren und Rumäninnen. Der zuständige Sekretär Patrick Lenghel sagt:

Alle berichten von denselben Problemen und wurden massiv abgezockt.

Er wird die Fälle bald vor Gericht bringen; vier Klagbewilligungen sind bereits erteilt, denn Chef Janzik hat bisher alle Schlichtungsverhandlungen geschwänzt. Untätig blieb er aber keinesfalls.

Strohmänner gründen neue Firmen

Praktisch zeitgleich mit der Verfahrenseröffnung tauchte im Handelsregister eine neue Firma namens Textil & Tradition Rheintal AG auf. Ihr Sitz: die Swisspur-Fabrik in Montlingen SG! Als einziger Zeichnungsberechtigter fungiert ein Deutscher, den die Swisspur-Belegschaft als rechte Hand von Janzik kennt. Dieser wiederum gründet kurz darauf die Swisspur Online AG mit Sitz in einer Zuger Steueroase. Daneben besitzt er noch die Swisspur Holding AG, die Swisspur Shop GmbH und die Swisspur Schlafkomfort AG, allesamt in einer weiteren Zuger Tiefsteuergemeinde.

Dafür verschwand plötzlich die Swisspur Manufaktur AG, notabene jene Firma, bei der viele Produktionsmitarbeitende angestellt sind. Janzik überschrieb sie zuerst an einen zweiten Vertrauten aus Deutschland. Dann verschob dieser den Sitz nach Basel und taufte sie um auf Swissense Global Sleep AG, ein Name, der jenem des deutschen Bettengiganten Swiss Sense zum Verwechseln ähnlich ist. Der Sinn von alldem? Unia-Mann Lenghel sagt:

Janzik glaubt wohl, sich so aus der Verantwortung stehlen und mit Strohmännern weitermachen zu können.

Die jüngsten Entwicklungen deuten tatsächlich in diese Richtung. So haben die Angestellten der Matratzenfabrik in den letzten Wochen Aufhebungsverträge bekommen – und dazu neue Arbeitsverträge bei der Nachfolgefirma Textil & Tradition.

In den neuen Verträgen scheinen die Löhne GAV-konform. Dafür wird vielen Büezern bloss noch ein Teilzeitpensum angeboten. Zudem wurde die Wochenarbeitszeit von 40 auf GAV-widrige 45 Stunden hochgeschraubt. Doch die Arbeiterinnen und Arbeiter lassen sich nicht für dumm verkaufen. Geschlossen verweigern sie die Unterschrift! Und das bringt Janzik abermals aus der Fassung.

Söhne protzen auf Social Media

Im Namen der neuen Swissense mit Briefkasten in Basel verschickte er letzte Woche haufenweise Kündigungen. Mittlerweile ist die Produktion in Montlingen um über die Hälfte ausgedünnt. Unia-Mann Lenghel sagt: «In der Fabrik brodelt’s, die Leute sind in Streikstimmung!» Per Mail streitet Janzik derweil sämtliche Vorwürfe ab (siehe Box unten), Telefonanrufen geht er systematisch aus dem Weg.

Weit weniger öffentlichkeitsscheu sind da seine beiden Söhne. Beide sind um die 20 Jahre jung, und beide protzen auf Social Media mit ihrem Bonzen-Lifestyle: eine Rolex zu Weihnachten, ein 70-Euro-Gin-Tonic in Monaco, Jachtparties, Flugtrips und vor allem jede Menge Luxuskarossen.

Der ältere Junior filmt sich etwa, wie er einen fabrikneuen Mercedes-AMG GLE Coupé enthüllt. Kaufpreis: 100'000 bis 300'000 Franken. Eine Halterabfrage zeigt: Der Bolide läuft auf Papas Swisspur Schlafkomfort AG. Genauso wie ein goldener Porsche 911, mit dem der Sohnemann durch die Gegend braust. Ein weiterer Porsche, diesmal in Silber, läuft auf einen miserabel bewerteten Online-Kleidershop, aus dem sich Michael Janzik als vorsitzender Geschäftsführer erst im Oktober zurückgezogen hat. Neu signiert derselbe Kompagnon, der schon die Basler Swissense gegründet hat, also jenes Vehikel, mit dem Janzik jetzt die aufmüpfigen Arbeiter loswerden will.

Michael Janzik: Swisspur-CEO streitet alles ab

Die aktuellen Kündigungen stehen gemäss Michael Janzik «in keinem Zusammenhang mit allfälligen Aufforderungen» seitens der Mitarbeitenden. Vielmehr hätten sie «betriebsinterne Gründe». Die Rechte der Mitarbeitenden würden respektiert. Es gebe auch «keine neue Firma, welche im Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen stünde». Dass er den GAV verletze, könne er «mangels konkreter Belege nicht nachvollziehen», sämtliche Arbeitsverträge erfüllten «im heutigen Zeitpunkt» die «rechtlichen Vorgaben». Und Janzik versichert: «Alle Mitarbeitenden haben Arbeitsverträge und alle weiteren Dokumente stehen ohne weiteres zur Verfügung.»

Coronamasken seien «nie eingesetzt oder empfohlen worden». Es würden ausschliesslich wasserbasierte, lösungsmittelfreie und emissionsarme Schweizer Simalfa-Klebstoffe verwendet. «Gemäss Herstellerangaben gelten diese Produkte nicht als gefährlich im Sinne der Gefahrstoffverordnung. Trotz der Unbedenklichkeit stellen wir unseren Mitarbeitenden P2-Atemschutzmasken zur Verfügung.» Das Betreten einer Staplergabel sei ausdrücklich verboten und werde nicht toleriert. Es stünden mehrere Suva-konforme Sicherheitsleitern zur Verfügung.

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