Rekordtiefe Geburtenrate: Jetzt reden die Mütter
«Ich wollte mehr als ein Kind, aber das liegt finanziell nicht drin»

Die Geburtenrate in der Schweiz ist auf einem historischen Tiefstand. Wieso sie nicht mehr Kinder wollen, berichten zahlreiche Frauen bei work. Sie machen klar: Die bürgerliche Familienpolitik ist ein Babywunsch-Killer.

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GROSSE BETROFFENHEIT: Unter einem work-Instagram-Beitrag zur tiefen Geburtenrate in der Schweiz schildern zahlreiche Frauen, wieso sich die Familienpolitik dringend ändern muss. (Foto: Canva / Montage: work)

Die Zahlen lassen aufhorchen: Im Durchschnitt kommen in der Schweiz nur noch 1,29 Kinder pro Frau zur Welt. Das ist ein Rückgang von 9 Prozent seit 2019 und ein neues Rekordtief. work hat nicht nur über die Zahlen berichtet (zum Beitrag), die das Bundesamt für Statistik kürzlich veröffentlicht hat. Sondern auch aufgezeigt, welch negativen Einfluss die bürgerliche Politik auf die Familien im Land hat und dafür sorgt, dass viele junge Menschen es sich schlicht nicht leisten können, mehr Kinder zu bekommen.

Auf der Plattform Instagram (zum work-Profil) haben wir damit einen Nerv getroffen. Zahlreiche Frauen berichten in über 140 Kommentaren von ihrer eigenen Lebenssituation. work hatte provokant getitelt: Kein Bock auf Babys.

Die meisten Frauen stellen in der Diskussion aber klar: Sie hätten sehr wohl Bock auf Babys. Aber sie haben keinen Bock auf die schlechten Rahmenbedingungen für Familien. Zusammengefasst:

  • Der finanzielle Druck auf Familien, insbesondere auf Frauen, ist enorm
  • Das Betreuungsangebot ist zu klein und zu teuer
  • Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist schwierig
  • Mutter- und Vaterschaftsurlaub sind im europäischen Vergleich ein Witz
  • Care-Arbeit wird systematisch abgewertet

Die persönlichen Ausführungen der Betroffenen machen zudem deutlich: Wenn Politikerinnen und Politiker über Zahlen diskutieren, geht es in Wahrheit um Menschen. Und wenn die Bürgerlichen in ihrer Sparwut mal wieder eine Leistung für Familien zusammenstreichen, trifft das immer direkt eine Familie.

So schreibt Userin «theawyler» etwa:

Ich bin Mutter eines dreijährigen Kindes und wollte immer mehr als eines. Leider liegt aber ein weiteres finanziell nicht drin und auch von den Ressourcen her nicht. Die tiefe Geburtenrate überrascht mich nicht. Es gibt in der Schweiz so viele strukturelle Missstände, was Familie angeht. (…) Die Kita ist trotz Betreuungsgutscheinen zu teuer. Ich habe keine Grosseltern in der Nähe, mit meinem Lohn kann ich keine Familie ernähren.

Userin «mamof48» berichtet, wie es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht:

Die Vereinbarkeit ist ein Hohn. Vor allem bei Berufen mit unregelmässigen Arbeitszeiten, Arbeitstagen oder Jahresarbeitszeit ist eine Betreuung in einer Institution nicht umsetzbar. Die Versorgung bei Krankheit, teilweise fehlende Flexibilität im Bereich Homeoffice durch den Arbeitgeber und die hohen Kosten geben einem den Rest.

Userin «th1a_wildwoman» hat eine grosse Familie, aber:

Ich habe vier Kinder, weil ich Kinder wollte. Würde ich das wieder so machen? Vermutlich nicht. Nicht, weil ich meine Kinder nicht liebe, das tue ich. Aber die Belastung, finanziell und Workload-mässig, bringt mich regelmässig an den Rand des Zusammenbruchs. Ich fühle mich immer wieder wie gefangen im Hamsterrad, das System ist so abgefuckt. Mein Nervenkostüm ist teilweise kaum noch vorhanden, was zur Folge hat, dass ich es nicht schaffe, die Mutter zu sein, die ich gerne wäre.

Userin «mamatsui» listet auf, welche Einbussen eine Mutter auf sich nehmen muss:

Frauen haben nicht ‹keinen Bock auf Babys›, sie haben keinen Bock, in unbezahlter Care-Arbeit zu versinken. Alleine. Während der Mann Karriere macht und Freizeit geniesst und ein Leben abseits von Kinderbetreuung und Haushalt hat. Sie haben keinen Bock auf Einbussen bei der Rente, Einbussen bei der Gesundheit, Einbussen beim Lohn. Viele Frauen hätten sehr wohl sehr gern Kinder. Wenn die Gesellschaft, in der sie leben, eine andere wäre! Also tut mal nicht so, als hätten Frauen wegen höherer Bildung keinen Bock aufs Kinderkriegen. Der Preis ist einfach zu hoch.

Userin «bookwood_pencil» erinnert daran, wieso es aus der Politik mehr Wertschätzung braucht:

Jeder, der zu Hause bleibt, weil er Kinder betreut, bezahlt jeden Monat und am Ende bei der Rente dafür, die nächste Generation für den Staat gratis grosszuziehen. Gratis den nächsten Steuerzahler grosszuziehen, der dann wiederum ausgenommen werden darf, sobald er 18 Jahre alt geworden ist. Wo bleibt die Unterstützung zwischen der Geburt und dem vollendeten 18. Lebensjahr? Das bisschen Kindergeld ist ein Witz.

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