Warnsignal für die bürgerliche Familienpolitik
Die Schweiz hat eine rekordtiefe Geburtenrate

Die Frauen in der Schweiz bekommen so wenige Kinder wie noch nie. Der Grund: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steckt noch in den Kinderschuhen. 

IHR KINDERLEIN KOMMET: Die Schweiz braucht eine andere Familienpolitik. (Foto: Keystone)

Im Durchschnitt kommen in der Schweiz nur noch 1,29 Kinder pro Frau zur Welt. Seit 2019 ist die Zahl der Geburten um über 9 Prozent zurückgegangen, schreibt das Bundesamt für Statistik. Gleichzeitig sind die Frauen so gut ausgebildet wie noch nie und so berufstätig wie noch nie. Ihre Erwerbsquote ist von 68 Prozent im Jahr 1991 auf 80 Prozent 2023 gestiegen. Und trotzdem: Mit dem ersten Kind sinkt das Einkommen der Frau. Mütter verdienen im Schnitt 21 Prozent weniger als Väter (work berichtete). Gleichzeitig erledigen die Frauen 60 Prozent der Hausarbeit. Das sind im Schnitt 30 Arbeitsstunden pro Woche, unbezahlt, wohlverstanden.

Heute geben drei Mal mehr junge Erwachsene als noch 2013 an, keine Kinder haben zu wollen. Die Begründung: Ihre Einkommen seien zu tief, sie hätten keine bezahlbaren Betreuungsplätze, und die Verteilung der Betreuungs- und Hausarbeit sei ungleich verteilt. 

Bürgerliche Kinderfeinde

Diese rekordtiefe Geburtenrate ist auch das Resultat einer bigotten Familienpolitik der Bürgerlichen: Einerseits die schöne, heile Schweizer Familie als Ideal zelebrieren, jedoch nichts tun, damit die Frauen auch Kinder haben möchten. Das zeigt sich in der Passivität gegenüber griffigen Massnahmen zur Lohngleichheit. Oder in der Ablehnung von Mindestlöhnen, von denen insbesondere Frauen in Tieflohnsektoren profitieren würden. Oder darin, die vorschulische Kinderbetreuung ins «Private» abzuschieben, statt sie wie die Schulen als öffentliches Betreuungsangebot zu fördern. Und jetzt möchte die bürgerliche Mehrheit im Parlament auch noch Arbeitstage von bis zu 17 Stunden und Sonntagsarbeit ermöglichen. Das wäre alles andere als familientauglich.

Verlässliche Arbeitszeiten

Cyrielle Huguenot vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund sagt es so: «Viele junge Menschen wollen Kinder, aber sie können es sich schlicht nicht leisten, weder finanziell noch organisatorisch.» Deshalb fordert sie:

Wer wirklich will, dass junge Menschen wieder Kinder bekommen, muss die Rahmenbedingungen verbessern – nicht die Arbeitszeiten verlängern.

Nur mit einer echten Familienpolitik und fairen Arbeitsbedingungen lasse sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sicherstellen. Deshalb brauche es bessere Arbeitsbedingungen mit einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnverlust und mit verlässlichen Arbeitszeiten, die planbar und familientauglich sind. Ebenso notwendig sei ein öffentlicher und kostenloser Kinderbetreuungsservice.

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