Mit dem Kind sinkt der Lohn
Mutterschaftsstrafe: Bundesrat bestätigt Baby-Knick

Kinder sind für Mütter in ­finanzieller Hinsicht ein ­Desaster. Für Väter ­hingegen ein wahrer ­Lohn-Booster. Das bestätigt der neuste Bundesratsbericht.

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Geht es um Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen, geht’s ganz schnell um den kleinen Unterschied – zwischen dem erklärbaren und dem unerklärbaren Anteil. Aus bürgerlicher Sicht ist der mit Alter, Ausbildung, Dienstjahren & Co. erklärbare Anteil ganz okay, da nichtdiskriminierend.

Wo solche Kriterien fehlen, könnte es sich um Diskriminierung handeln. Könnte. Um wirklich sicherzugehen, dass Lohndiskriminierung kein linkes Märchen sei, fordern sie immer wieder neue Statistiken. Jetzt hat der Bundesrat erneut einen Bericht über die Ursachen der Lohnunterschiede vorgelegt. Als Antwort auf einen Vorstoss von Marcel Dobler, FDP-Nationalrat und Mitgründer des Onlineshops Digitec.

Mutterschaftsstrafe

Und einmal mehr belegen die Zahlen: ob erklärbar oder unerklärbar, es ist unhaltbar! Denn die Lohnunterschiede sind das Resultat struktureller Diskriminierung. Oder einfacher gesagt:

Die Löhne in «typischen» Frauenberufen sind tief, weil der Arbeit von Frauen weniger Wert beigemessen wird als der Arbeit von Männern.

Und Frauen verdienen weniger, weil noch immer mehrheitlich die Frauen die unbezahlte Care-Arbeit übernehmen, auf Kosten ihrer Erwerbsarbeit.

So bestätigen auch die neusten Zahlen des Bundesrates den Baby-Knick (im Fachjargon «motherhood penalty» oder Mutterschaftsstrafe): Im allgemeinen steigt der Lohn mit zunehmendem Alter, wenn auch die Frauen tiefer starten. Ganz anders bei Müttern. Ab ungefähr 30 Jahren und dann wieder ab 50 Jahren stagnieren ihre Löhne oder sinken sogar (siehe Grafik oben).

Verheiratete Frauen mit Kindern verdienen fast 4 Prozent weniger als jene ohne Kinder. Im Vergleich mit verheirateten Vätern sind es ganze 21 Prozent! Für die Väter wirken Kinder hingegen als wahre Lohn-Booster: Sie haben im Schnitt 27,5 Prozent höhere Löhne als kinderlose Männer. Nebst dem Baby-Knick gibt es auch eine Art Heirats-Hemmschuh: Verheiratete, kinderlose Frauen verdienen über 11 Prozent weniger als verheiratete, kinderlose Männer.

Gleichberechtigungsstrafe

US-Ökonomin und Nobelpreisträgerin Claudia Goldin nannte den Baby-Knick in einem Interview ein «schmutziges kleines Geheimnis, das wir alle kennen, über das wir aber nicht sprechen wollen». Denn noch immer seien es hauptsächlich die Frauen, die sich um den Nachwuchs kümmerten und deshalb ihre Pensen reduzierten, weniger gut bezahlte Jobs annehmen müssten oder gleich ganz aus der Arbeitswelt ausstiegen.

Das ist eiskalter Kapitalismus: Reproduktionsarbeit ist keine produktive Arbeit, sondern eine Privatangelegenheit. Und deshalb sind Frauen nicht rund um die Uhr für die Lohnarbeit verfügbar. Kein Wunder also, nimmt der Anteil der Frauen kontinuierlich ab, je höher die berufliche Stellung ist.

Claudia Goldins Schlussfolgerung:

Der Arbeitsmarkt bestraft Paare, die gleichberechtigt leben und arbeiten wollen.

Sie plädiert für fundamentale Änderungen in der Art, wie wir arbeiten und wie wir Care-Arbeit wertschätzen. Sonst erreichen wir nie Gleichberechtigung zwischen den ­Geschlechtern. Wir sind in einer veralteten ­Arbeitswelt gefangen – die Strukturen am ­Arbeitsmarkt haben sich nicht verändert, seit Frauen an ihm teilnehmen. Deshalb braucht es eine Anpassung dieser Strukturen an die gesellschaftliche Realität.

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