Und vier weitere Fragen und Antworten zur Abstimmung vom 25. September
Wie fiktiv ist der Eigenmietwert wirklich?

Beitrag vorlesen lassen.
0:00 / 6:53

Eigenmietwert abschaffen und sparsame Rentner und Rentnerinnen nicht mehr bestrafen? Dafür werfen ausgerechnet die Immobilien-Haie die Rekordsumme von über 7 Millionen Franken auf. Was stimmt da nicht? So ziemlich alles. work klärt die wichtigsten Fragen.

DER TRAUM VOM EIGENHEIM: Wenn die Vorlage angenommen wird, platzt der Traum für viele Normalverdienende, da die Preise explodieren werden. (Foto: Keystone)

Inhaltsverzeichnis

Ende September stimmen jene, die dürfen und wollen, darüber ab, ob der Eigenmietwert auf selbstgenutztem Wohneigentum abgeschafft wird. Das ist seit Jahrzehnten ein Steckenpferd der Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer. Genauer: ihrer Verbandsideologen. Und noch genauer: Der Hauseigentümer-Verbandsideologen in der Deutschschweiz. Die bisherigen Anläufe sind allesamt spätestens in der Volksabstimmung gescheitert. Auch gegen die aktuelle Vorlage ist der Widerstand breit: Gewerkschaften, SP, Grüne, aber auch die Mehrheit der Kantone, die Westschweizer Arbeitgeber und die organisierten Westschweizer Immobilienfachleute.

Der Eigenmietwert ist eine Steuer, die dafür sorgen soll, dass Mieterinnen und Eigenheimbesitzer gleichbehandelt werden. Die Logik dahinter: Wer zur Miete wohnt, bezahlt Miete aus seinem bereits versteuerten Einkommen. Wer im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung wohnt, spart diese Miete ein. Dieser Vorteil wird vom Staat als eine Art Naturaleinkommen behandelt, und genau dafür wird der Eigenmietwert angesetzt. In der Praxis fahren Wohneigentumbesitzende bereits heute besser, weil die Eigenmietwerte viel tiefer angesetzt werden als die tatsächlichen Mieten. Ausserdem können Hypothekarzinsen und Unterhaltskosten vom Einkommen abgezogen werden. Warum der Eigenmietwert gar nicht so abartig ist, wie die Hauseigentümer-Lobby behauptet, zeigt folgende Überlegung: Einkommen aus Vermögen, das nicht als Eigenkapital im selbstbewohnten Haus steckt, müssen auch versteuert werden. Und wenn eine Pflegerin im Altersheim gratis essen kann, wird das auf dem Lohnausweis als Einkommen aufgeführt.

Der Eigenmietwert soll abgeschafft, ein Teil der Steuerabzüge noch zugelassen ­werden, und Kantone sollen für Zweitwohnungen neue Steuern erheben ­dürfen. Die Steuerausfälle für Bund, Kantone und Gemeinden gehen in die Milliarden.

Menschen mit sehr hohen Einkommen, die in sehr teuren Immobilien wohnen und keine Abzüge wegen Hypotheken und Renovationen mehr geltend machen ­können.

Kurze Antwort: allen anderen!
Konkret:

  • Den Mietenden: Sie zahlen drauf, weil Kantone und Gemeinde ihre Steuerlöcher stopfen müssen – um mindestens 500 Franken pro Haushalt. Die ersten Kantone haben schon ausgerechnet, um wie viel die Steuern steigen werden, wenn der Eigenmietwert abgeschafft wird: Tessin plus 7,5 Prozent, Zürich plus 3 Prozent.
  • Menschen, die von Wohneigentum träumen: Weil die Vorlage Immobilien für Reiche und ganz Reiche noch attraktiver macht, rückt der Traum von eigenen Heim für Normalverdienende in noch weitere Ferne. Die UBS geht von einer weiteren Preisexplosion von 13 Prozent aus, wenn die Vorlage angenommen wird.
  • Dem Baugewerbe: Wenn Steuerabzüge für Unterhalts- und Sanierungsarbeiten wegfallen, fallen auch die entsprechenden Aufträge zu einem grossen Teil weg. Die Schwarzarbeit nimmt zu, weil die Rechnungen nicht mehr für die Steuererklärung nötig sind.
  • Der AHV: Fehlende Lohnbeiträge wegen der Schwarzarbeit reissen ein Loch in die Kasse.

Die heutige Regelung mit dem Eigenmietwert ist nicht perfekt, weil vor allem Rentnerinnen und Rentner damit eine höhere Steuerlast zu tragen haben, ohne dass sie über hohe Einkommen verfügen. Einige Kantone haben bereits zielgerichtete Massnahmen erlassen, die dieses Problem lösen. Auf nationaler Ebene hat die bürgerliche Parlamentsmehrheit solche Lösungen bisher immer verhindert. Und jetzt steckt ausgerechnet der Hauseigentümerverband die Rekordsumme von 7 Millionen Franken in den Abstimmungskampf für eine Vorlage, die angeblich den sparsamen Rentnerinnen und Rentnern nützt. Da kann doch etwas nicht stimmen.

Und tatsächlich: Ausgerechnet die Mehrheit der wohneigentumsbesitzenden Rentnerinnen und Rentner verliert bei einem Ja auch.

Das ist nicht etwa bloss eine linke Behauptung, sondern die Überzeugung zum Beispiel auch der Westschweizer Immobilienfachleute und der Westschweizer Arbeitgeberorganisation Centre Patronal. Frédéric Dovat ist Generalsekretär des Schweizerischen Verbands der Immobi­lienwirtschaft (USPI Schweiz). Er sagt der Zeitung «24 heures»: «Nur Eigentümer und Eigentümerinnen, die ihr Haus bar bezahlt oder vollständig amortisiert haben, deren Gebäude neu ist und Minergie-Standards erfüllt oder energieeffizient ist, werden von der Vorlage profitieren. Selbst wenn Rentnerinnen und Rentner ihre Schulden abbezahlt haben, können sie die Kosten für Instandhaltung und energetische Sanierung ihrer Immobilie nicht mehr abziehen (…); daher ­werden sie Schwierigkeiten haben, Käuferinnen und Käufer für ihre Immobilie zu finden.»

Schub oder Risiko? ­Schweiz stimmt über die E-ID ab

Am 28. September stimmt die Schweiz über die E-ID ab – den digitalen Ausweis per Smartphone-App. Anders als 2021 soll der Staat statt Privatfirmen die E-ID herausgeben. Die freiwil­lige digitale Identität ermöglicht Online-Identifikation für Behörden­gänge und Einkäufe. Befürworter sehen einen Digitalisierungsschub, Gegner warnen vor.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.