Ein kleines Glossar zu einem grossen Thema
Zölle: Was wann und wenn warum?

Zoll ist nicht Zoll. Und nicht jeder Zoll wirkt gleich. Aber praktisch immer bleibt die Rechnung an jenen hängen, die sie sich am wenigsten leisten können.

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DER TRUMPSCHE ZOLLHAMMER: Für Waren aus der Schweiz fallen in den USA Zölle von 39 Prozent an. (Foto: Adobe Stock / Montage: work)

Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste zuerst: Wer zahlt?

Rein rechtlich ist die Sache klar: Der Importeur – also das Unternehmen, das Waren ins Land bringt – bezahlt die Zollgebühren an der Grenze. In der Praxis landen diese Kosten fast immer beim Endverbraucher. Unternehmen schlagen Zölle schlicht auf ihre Verkaufspreise. Wie stark Konsumentinnen und Konsumenten die Last spüren, hängt davon ab, wie leicht sie auf Alternativen ausweichen können. Bei unabdingbaren Gütern ohne heimische Konkurrenz tragen Kunden die volle Zolllast. Bei Produkten mit vielen Alternativen müssen Importeure unter Umständen einen Teil der Kosten selbst schlucken. Haushalte mit kleinem Budget spüren Zölle besonders deutlich. Oder bestimmte Waren sind nicht mehr erhältlich.

Die Finanzzölle

Die einfachste Form des Zolls dient einzig der Geldbeschaffung. Finanzzölle erheben Staaten, um ihre Kassen zu füllen – ähnlich wie andere Steuern. Besonders beliebt sind dabei Luxusgüter: teure Schweizer Uhren im Ausland, exklusive Spirituosen oder Designerhandtaschen. Der Gedanke dahinter ist simpel: Wer sich solche Güter leisten kann, verkraftet auch zusätzliche Kosten. Für den Staat bedeutet das Millioneneinnahmen bei relativ geringem Widerstand. Problematisch wird es allerdings, wenn Finanzzölle auf alltägliche Produkte erhoben werden – dann verteuern sich Grundgüter, und die Belastung trifft breite Schichten der Bevölkerung.

Die Schutzzölle

Deutlich politischer sind Schutzzölle, die darauf abzielen, einheimische Unternehmen vor günstiger Konkurrenz aus dem Ausland zu bewahren. Ein aktuelles Beispiel liefert die Automobilindustrie: Die EU plant hohe Zölle auf chinesischen Elektroautos, um europäische Hersteller wie BMW oder VW zu schützen. Der Grund: Chinesische Produzenten können ihre Fahrzeuge dank staatlicher Subventionen deutlich günstiger anbieten.

In der Schweiz sind Schutzzölle in erster Linie bei den Bauern beliebt. Nirgendwo sonst sind die Agrarzölle so hoch: Rindfleisch aus Argentinien kann mit Aufschlägen von über 200 Prozent belegt sein, auch Käse, Butter oder Milchpulver sind stark geschützt und je nach Saison Früchte und Gemüse. Für Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet das allerdings deutlich höhere Preise im Alltag – vom Steak auf dem Grill bis zum Parmesan im Kühlschrank. Für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen ist dieser Bauernschutz eine teure Sache.

Ähnlich war es in der Solarindustrie. Jahrelang versuchte Europa, chinesische Solarpanels mit Zöllen von bis zu 64 Prozent abzuwehren. Das Resultat fiel zwiespältig aus: Während europäische Hersteller teilweise überlebten, bezahlten Hausbesitzer deutlich mehr für ihre Solaranlage – was den Klimaschutz bremste.

Erziehungszölle

Vor allem sogenannte Entwicklungsländer setzen auf Erziehungszölle, um neue Industrien aufzubauen. Das Prinzip: Durch hohe Abgaben auf Importprodukte wird die heimische Konkurrenz künstlich konkurrenzfähig gemacht. Brasilien beispielsweise schützte jahrzehntelang seine Automobilindustrie durch hohe Importzölle. So entstanden lokale Fabriken von VW, Ford und anderen Herstellern.

Auch die Schweiz griff im 19. Jahrhundert zu diesem Instrument. Die junge Textil- und Maschinenindustrie im Rheintal, im Aargau oder in Zürich wurde mit hohen Zöllen gegen britische Konkurrenz abgeschirmt. Ebenso profitierte die Uhrenbranche: Abgaben auf ausländische Zeitmesser halfen, das «Watch Valley» im Jura aufzubauen. Diese Politik legte das Fundament für Industriezweige, die später weltweit führend wurden.

Vergeltungszölle: Wenn Handelskriege entstehen

Vergeltungszölle sind der Kindergarten der Handelspolitik. Erhebt ein Land Abgaben, schlägt das betroffene Land oft mit eigenen Zöllen zurück. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China unter Präsident Trump ist ein Lehrbuchbeispiel: Zölle auf chinesische Waren führten zu Gegenzöllen auf US-Agrarprodukte. Technisch läuft es gleich wie bei allen Zöllen: Unternehmen zahlen an der Grenze, kalkulieren die Abgabe in den Preis ein – und im Supermarkt wird es teurer. Handelskriege treffen deshalb nicht nur Grosskonzerne, sondern auch die Haushalte und jene mit schmalem Budget besonders.

Antidumpingzölle

Verkauft ein ausländisches Unternehmen seine Waren unter Herstellungskosten – sogenanntes Dumping –, können Antidumpingzölle verhängt werden. Dies geschah etwa beim chinesischen Stahl: Produzenten überschwemmten den Weltmarkt mit subventioniertem Billigstahl und drängten europäische Stahlwerke an den Rand des Ruins. Die EU reagierte mit Abgaben von bis zu 73 Prozent. So liessen sich Arbeitsplätze retten.

Strafzölle

Zölle dienen auch als politisches Druckmittel. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine übernahmen westliche Länder umfassende Strafzölle gegen Russland – die Schweiz schloss sich an. Ziel: Russland wirtschaftlich isolieren und zum Einlenken zwingen. Nebenwirkung: steigende Preise im Inland. Auch hier gilt: Unternehmen reichen die Kosten weiter, und die Haushalte tragen die Last.

Das zweischneidige Schwert

Zölle bleiben damit ein zweischneidiges Schwert: Sie können heimische Industrien schützen und Staatseinnahmen generieren, verteuern aber fast immer das Leben für die Konsumentinnen und Konsumenten. Die tatsächliche Lastverteilung hängt von der Art des Produkts ab: Bei Luxusgütern können die potentiellen Kundinnen und Kunden ausweichen. Bei lebensnotwendigen Gütern wie Medikamenten, Strom oder Heizmaterial werden die Abgaben praktisch vollständig weitergereicht. Das trifft die Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen besonders hart. Auch für die Gewerkschaften sind Zölle seit je und bis heute ein zweischneidiges Schwert: Als Schutzschild können sie akzeptiert werden, wenn es um Arbeitsplätze, faire Löhne oder Umweltstandards geht – doch sie bleiben suspekt, sobald sie bloss den Profit einzelner Branchen absichern und diese Last einseitig zulasten der Kaufkraft der Büezerinnen und Büezer geht.

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