Roland A. Müller schickt Vollzeitarbeitende aufs Sozialamt
Arbeitgeber-Boss kämpft für Hungerlöhne

Dreistig- oder Ehrlichkeit? Arbeitgeberverbands-Direktor Roland A. Müller sagt in der Parlamentskommission: Löhne zum Leben sind nicht Aufgabe der Arbeitgeber. Tieflöhner sollen aufs Sozialamt. Auch bei einem 100-Prozent-Job.

LOHNVERWEIGERER ROLAND A. MÜLLER: «Ein rein existenzsichernder Lohn ist nicht die Aufgabe
der Arbeitgeber.» (Foto: Keystone)

Arbeitgeber zahlen grundsätzlich nicht so gerne Löhne. Lieber zahlen sie Dividenden an die Kapitalbesitzer. Dividenden sind – nur leicht verkürzt – im Grundsatz vorenthaltene Löhne. Die höchsten Löhne kassieren jene Abzockermanager, die für ihre Kapitalgeberinnen am meisten Profit herausschlagen.

Besonders perfide ist, wenn Arbeitgeber den Lohnabhängigen so wenig ausbezahlen, dass diese auf das Sozialamt gehen müssen, um überleben zu können. Dann finanziert die Allgemeinheit den Profit der Firmenbesitzer.

Mindestlöhne funktionieren

Das geht nicht, findet das Bundesgericht und hat darum den Kantonen das Recht zugesprochen, aus sozialpolitischen Gründen Mindestlöhne zu erlassen. Diese bewegen sich im Rahmen des Existenzminimums der Sozialhilfe. Wer einen 100-Prozent-Job hat, soll davon leben können und nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. 2014 argumentierten die Gegner eines nationalen Mindestlohns, man könne nicht überall die gleichen Löhne zahlen, nicht der Tessinerin geben, was der Zürcher bekommt. Genau deshalb schufen einige Kantone bereits lokale Lösungen – die funktionieren. Sie funktionieren, weil Mindestlöhne funktionieren. In der Schweiz und in der Welt, wie alle seriösen Studien zeigen.

Bundesdiktat

Jetzt, wo kantonale und auch städtische Mindestlöhne immer häufiger beim Volk Anklang finden und die Arbeitgeberverbände sie auf dem Gerichtsweg meist nur verzögern, aber nicht verhindern können, haben sie ihre Taktik geändert.

Zum ersten Mal in der Geschichte will die rechte Parlamentsmehrheit per Gesetz die Löhne von Tausenden von Arbeitnehmenden in Tieflohnbranchen senken. Am 17. Juni plant der Nationalrat, mit der Annahme der Umsetzung einer Motion von Mitte-Ständerat Erich Ettlin die kantonalen Mindestlöhne durch tiefere GAV-Löhne zu übersteuern. Dieses Bundesdiktat will nicht einmal der Bundesrat.

Pure Verachtung

Am entschlossensten gegen dieses Lohnsenkungsgesetz kämpfen die Gewerkschaften. An einer Medienkonferenz sagte SGB-Präsident ­Pierre-Yves Maillard am 27. Mai zur Motion Ettlin: «Unsere Verfassung und ihre Grundsätze werden mit Füssen getreten, um Löhne von Coiffeusen oder Angestellten in der Gastronomie zu senken. Diese hart arbeitenden Menschen haben diese Verachtung nicht verdient.» (work berichete)

Wie abschätzig und zynisch Arbeitgeberfunktionäre tatsächlich über hart arbeitende Geringverdienende denken, enthüllte wenige Tage später der «Blick», der sich das Protokoll eines Auftritts von Arbeitgeberdirektor Roland A. Müller vor der Wirtschaftskommission des Nationalrates vom vergangenen März beschaffen konnte. Müller findet: «Ein rein existenzsichernder Lohn ist nicht die Aufgabe der Arbeitgeber.» Und:

Irgendwo hört es auf. Da muss dann schliesslich die Sozialhilfe einspringen.

Referendum sicher

Genau gegen diese zynische und dreiste neoliberale Arbeitgeberlogik kämpfen die Gewerkschaften. Wenn’s sein muss, auch an der Urne. Denn sollte die rechte Mehrheit im Parlament tatsächlich Ja sagen zum Lohnsenkungsgesetz und damit Tausende Vollarbeitende wieder aufs Sozialamt schicken wollen, ist das Referendum sicher: Wer arbeitet, muss von seinem Lohn leben können.

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