Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.

Die meisten Vorgesetzten hören es nicht gerne, wenn wir über unsere Löhne sprechen. Offene Gespräche über Löhne habe ich bisher noch an keinem Arbeitsplatz erlebt. Auch bei uns im Laden herrscht keine Lohntransparenz. Und falls es zur Aussprache kommt, dann heimlich. Oft mit viel Wut in der Stimme. Das Gespräch endet meistens mit einem heiligen Schwur: Ich darf ja niemandem etwas verraten.

Heisses Eisen

Als erfrischende Abwechslung hat neulich ein Gspönli ohne Verkaufserfahrung, mit irgendeinem Abschluss, seinen Stundenlohn verraten, und siehe da: Sein Lohn war höher als der von einem Kollegen, der schon mehrere Jahre hier arbeitet, ohne Lehrabschluss, aber mit viel Erfahrung. Das hat natürlich einiges ins Rollen gebracht, eine Lohnerhöhung muss her! Das missfiel der Vorgesetzten: Warum spricht der neue Mitarbeiter darüber? Ich finde, das ist die ­falsche Frage. Warum sind die Lohnunterschiede so massiv? Habe ich Übersicht über die gesamten Löhne in meinem Team? Wenn nicht, was machen wir dagegen? Was kann ich tun? Das wären Fragen, die ich mir an ihrer Stelle machen würde.

Kein Tabu

Auch in meiner Unia-Gruppe haben wir immer klar über den Lohn diskutiert, und auffallend war, dass ich mehr Lohn bekomme als meine älteren Kolleginnen, die schon zwanzig Jahre oder länger in diesem Unternehmen arbeiten. Zwar wurde ihr Lohn mit der Zeit erhöht, aber nur minim. Doch dann haben wir über unsere Löhne gesprochen, und sie haben Lohnerhöhungen gefordert. Mit Erfolg! Und ausserdem würde mehr Lohntransparenz auch aufzeigen, wie es bei uns im Unternehmen mit der Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern steht. Ich wette, dass auch bei den Geschäftsleiterinnen und Geschäftsleitern enorme Unterschiede bei den Löhnen zu finden sind.

Mehr Fairness

Für mich heisst Loyalität gegenüber dem Unternehmen auch, Mut für Verbesserungen und ­Solidarität untereinander zu haben. Reden und Hinterfragen schadet nicht. Im Gegenteil, nur so können wir sicherstellen, dass wir einen fairen Arbeitsplatz für alle haben. Transparenz kann unangenehm sein, aber Fairness sollte Unannehmlichkeit überwiegen.

Illu: Laura Gonzalez Martinez

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.