Die FDP will Umweltschutzorganisationen und Hilfswerken ans (Spenden-)Geld. Und trifft mit ihrem Wutvorstoss die Krebsliga, die Landfrauen, die Paraplegikerstiftung und das Rote Kreuz ins Mark.

HAT DEN FDP-VORSTOSS EINGEREICHT: Der Zürcher Nationalrat Beat Walti. (Foto: Keystone)

Schweizer Konzerne sollen im Ausland nicht ungestraft die Umwelt vergiften und die Menschenrechte mit Füssen treten können. Das wollte die Konzernverantwortungsinitiative. Und das wollte die Mehrheit des Stimmvolks. Einzig das Ständemehr, bei dem die Stimme eines reaktionären Innerschweizer Steuerflüchtlings dutzendfach mehr zählt als jene einer Waadtländer Uhrenarbeiterin, rettete den Konzernen ihr Sklavengeschäft.

Für Konzernverantwortung setzten sich auch Hilfswerke ein. Und stehen seither im Wutsturm der rechten Parteien, die Glencore & Co. etwas liefern wollen für die vielen Parteispenden. Noch vor der Volksabstimmung reichte der damalige Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser einen Vorstoss ein, der Organisationen, die sich politisch äussern, die Steuerbefreiung entziehen wollte. Er wurde schliesslich im Parlament abgelehnt, weil die halbe Mitte-Fraktion und ein paar SVP-Bauern im Nationalrat über die Folgen einer Annahme nachgedacht hatten und Nein sagten.

HAT DIE HILFSWERKE SCHO FRÜHER ANGEGRIFFEN: FDP-Mann Ruedi Noser. (Foto: Keystone)

Neuer Versuch

Doch dann gab der Menschenrechtsgerichtshof den Schweizer Klimaseniorinnen recht, und die Rechten drehten wieder im Roten. Gleichzeitig greifen rechte und rechtsextreme Regierungen in vielen Länder des globalen Nordens die NGO an. Da mag die FDP nicht abseits stehen und wärmt die «Steuerbefreiung» wieder auf. Im Dezember 2024 reichte Beat Walti im Namen der FDP-Fraktion eine Motion ein mit dem heuchlerischen Titel «Stärkung der Gemeinnützigkeit steuerbefreiter Organisationen». In Wahrheit zielt der Vorstoss auf genau das Gegenteil:

Gemeinnützige Organisationen sollen sich politisch nicht mehr äussern oder ihre Steuerbefreiung ganz oder teilweise verlieren.

Die Motion verlangt, dass steuerbefreite gemeinnützige Organisationen «genauer beobachtet werden und allenfalls mindestens teilweise ihre Steuerbefreiung verlieren». Sie müssten neu eine Steuererklärung einreichen mit einer Aufteilung ihrer Tätigkeiten in solche «im Interesse der Allgemeinheit» und «übrige Tätigkeiten». Letztere wären nicht steuerbefreit. Und sollten Organisationen regelmässig (etwa mindestens zwei Mal innert vier Jahren) Beiträge von mehr als 50’000 Franken an politische Kampagnen leisten, wäre die Steuerbefreiung ebenfalls hinfällig. Das heisst: auch die Spenderinnen und Spender könnten ihre Spenden nicht mehr von den Steuern absetzen.

FDP-Pfusch

Das Ziel der FDP ist klar: Sie möchte Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen zum Schweigen bringen. Doch die Wut hat die Freisinnigen zu kurz denken lassen. Denn so wie ihr Vorstoss formuliert ist, wären fast 14’000 gemeinnützige Vereine und Stiftungen in der Schweiz betroffen, wie der Dachverband Pro Fonds in einem Brief an sämtliche Nationalratsmitglieder darlegte. Der Verband kritisiert vor allem zwei Punkte: Der Titel sei irreführend, da gemeinnützige Organisationen geschwächt statt gestärkt würden.

Sebastian Rieger, stellvertretender Geschäftsführer von Pro Fonds, spricht Klartext:

Ein angedrohter Entzug der Steuerbefreiung würde faktisch zu einem politischen Maulkorb gemeinnütziger Organisationen führen. Die betroffenen Organisationen weisen in ihren jeweiligen Fachgebieten auch eine ausgewiesene Kompetenz auf, die verloren ginge, könnten sie sich nicht mehr einbringen.

WARNT VOR DEM FDP-VORSTOSS: Sebastian Rieger von Pro Fonds. (Foto: pd)

Bäuerinnen und Krebsliga

Eigentlich möchten SVP und FDP ja einfach fortschrittliche Organisationen plagen. Doch das kann schlecht so in ein Gesetz reingeschrieben werden. Denn viele der als gemeinnützig anerkannten Organisationen äussern sich politisch. Ihre Statuten erwähnen die politische Teilnahme ausdrücklich, und diese wird von den Spenderinnen und Spendern auch gewünscht. Unter diesen Organisationen sind viele stabil bürgerlich. So wie etwa der Bäuerinnen- und Landfrauenverband. Seine Geschäftsführerin Kathrin Bieri warnt:

Die Annahme dieser Motion würde einen erheblichen Bremsklotz darstellen.

KLARE WORTE: Kathrin Bieri, Geschäftsführerin des Bäuerinnen- und Landfrauenverbands.(Foto: pd)

Denn einen Teil der Ressourcen müsste der Verband dann für zusätzliche Verwaltungsaufgaben und Steuern aufwenden – und dieses Geld würde schliesslich fehlen, um die Aufgaben zum Wohl seiner Mitglieder erfüllen zu können. Caroline Morel vom Schweizerischen Arbeiterhilfswerk (SAH) sieht in der Motion einen «politischen Maulkorb» für gemeinnützige Organisationen. Betroffen wäre vom FDP-Vorstoss aber auch zum Beispiel die Krebsliga, weil sie sich etwa zum Tabakwerbeverbot und Rauchverboten äussert. Oder die Paraplegikerstiftung, weil sie sich zu behindertenpolitischen Themen äussert. Oder das Rote Kreuz, das sich sowohl zu gesundheitspolitischen wie asylpolitischen Themen äussert.

Die neuen Posttarife?

Die wirtschaftspolitische Kommission des Nationalrats hat am 15. April 2025 über die Motion beraten und sie vorerst auf die lange Bank geschoben: Die Kommission hat die Steuerverwaltung beauftragt, zusätzliche Informationen zu einigen Fragen zu liefern. Doch der Widerstand sogar aus bürgerlichen Kreisen gegen die FDP-Motion ist jetzt schon stark. Wer sich an das ebenso regelmässige wie folgenlose Theater um die verbilligten Posttaxen für Verbandszeitungen erinnert fühlt, liegt nicht falsch: Auch hier werden kurzdenkende Rechte im Parlament regelmässig wieder von Automobil- und Gewerbeverbänden eingefangen. Weil diese noch massiver betroffen wären von bürgerlichen Abbauplänen als die Gewerkschaften und NGO, die eigentlich im Visier der Vorstösse stehen.

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