Tag der Migrantinnen und Migranten
«Gewerkschaften sind ein Ort der Solidarität und der Stärke»

Heute ist der Internationale Tag der Migrantinnen und Migranten. Das kommende Jahr wird migrationspolitisch herausfordernd. Doch die Gewerkschaft hat ein Rezept dagegen: gelebte Vielfalt und Solidarität. 

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IN DER GEWERKSCHAFT VEREINT: Hilmi Gashi, Migrationssekretär der Unia, kämpft für Vielfalt. Also für Menschen wie Kezia Ortiz, Rojda Aslan und Zenun Hoti (v.o.n.u.). (Fotos: Matthias Lungen, Raja Läubli und Jakob Ineichen)

Diese Fakten sprechen für sich: Der Medianlohn lag 2024 bei 7024 Franken brutto pro Monat. Aber: Jeder zehnte Büezer arbeitete im Tieflohnsektor, oder besser gesagt, jede zehnte Büezerin. Denn von tiefen Löhnen betroffen sind besonders Frauen sowie Migrantinnen und Migranten.

Der Ausländeranteil in der Reinigungsbranche liegt zwischen 65 und 70 Prozent. Im Gastgewerbe liegt der Wert bei 55 bis 60 Prozent, und im Detailhandel arbeiten 40 bis 45 Prozent Migrantinnen und Migranten. Hilmi Gashi, Migrationssekretär der Gewerkschaft Unia, sagt zu work:

Viele Migrantinnen und Migranten arbeiten in wichtigen, aber dennoch strukturschwachen Branchen. Ihre Löhne sind tief. Die fehlende Anerkennung ihrer Diplome wirkt sich auf die schon tiefen Löhne zusätzlich nachteilig aus.

Das bestätigt auch Hotelreinigerin Kezia Ortiz. work porträtierte die Brasilianerin im April. Erst vor wenigen Jahren ist Ortiz aus ihrer Heimat Brasilien in die Schweiz gekommen. In der Unia habe sie sich gleich zu Hause gefühlt, auch wenn sie hier weit weg von ihrer Heimat sei. Sie arbeitete als Hotelreinigerin für 21 Franken netto pro Stunde. Damit kam sie in der Regel auf ein monatliches Einkommen von etwa 2500 Franken. Deshalb kämpft sie als Gewerkschaftsmitglied für bessere Arbeitsbedingungen und Gleichberechtigung. Die ganze Geschichte von Ortiz unter diesem Link.

KEZIA ORTIZ: Sie kämpft mit der Unia für bessere Arbeitsbedingungen. (Foto: Jakob Ineichen)

Die SVP-Initiative bekämpfen

Im kommenden Jahr stimmt das Schweizer Stimmvolk gleich über mehrere Initiativen ab, welche die Rechte der Migrantinnen hierzulande massiv beeinflussen können. Einerseits möchte die Schweizerische Volkspartei (SVP) unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit ein wahres Chaos in der Schweiz auslösen. Ihr Ziel: Bis 2050 darf die Schweiz nicht mehr als 10 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner haben. Die Folgen davon: Ab einer Wohnbevölkerung von 9,5 Millionen wird der Familiennachzug verweigert, ab 10 Millionen darf niemand mehr in die Schweiz einwandern.

Die Initiative hätte auch zur Folge, dass die bilateralen Verträge mit der EU gekündigt würden, was den Lohnschutz aller Arbeiterinnen und Arbeiter schwächen würde. Migrationssekretär Hilmi Gashi:

Es muss klar gesagt werden: Die SVP will keine Lösungen für die realen Probleme wie Verkehr, Umwelt, Mieten. Sie will nur noch mehr rechtlose Menschen, die, wie die Saisonniers früher, hier arbeiten und dann gehen müssen, wenn man sie nicht mehr braucht. Diese unmenschliche Denkweise muss klar entlarvt und vehement von uns allen bekämpft werden. Die Initiative schadet uns allen.

Was es bedeutet, mit fehlendem Lohnschutz in der Schweiz zu arbeiten und trotz Fremdenfeindlichkeit ein Leben aufzubauen, zeigt die Geschichte von Zenun Hoti. work porträtierte Hoti im Januar. Er verliess Kosovo vor über 30 Jahren, arbeitete unter harten Bedingungen und wurde als Migrant auf dem Arbeitsmarkt ausgebeutet. Die ganze Geschichte von Hoti unter diesem Link.

ZENUN HOTI: Er hat erlebt, wie es ist, ausgebeutet zu werden. (Foto: Raja Läubli)

Der mächtige Pass

Ein weiterer intensiver Abstimmungskampf steht der Gewerkschaft bevor: Voraussichtlich stimmt das Schweizer Stimmvolk Ende 2026 über die Demokratieinitiative ab. Diese fordert eine einheitliche und erleichterte Einbürgerung. Für die Unia ein wichtiges Anliegen, denn viele Mitglieder der Gewerkschaft sind direkt davon betroffen.

Der Fall von Rojda Aslan* zeigt, wie schlecht Menschen hierzulande geschützt werden, wenn sie keinen roten Pass haben. work porträtierte die junge Mutter im März. Sie flüchtet aus einer gewaltvollen Ehe aus der Türkei in die Schweiz. Nach einigen Jahren kommt der Bescheid vom Migrationsamt: Ihr und ihrer in der Schweiz geborenen Tochter droht die Ausschaffung. Der Grund: Weil sie ihren Job in der Gastronomie verloren hat, lebt sie von der Sozialhilfe. Die ganze Geschichte von Aslan unter diesem Link.

ROJDA ASLAN: Sie und ihre Tochter sollen ausgeschafft werden, weil sie arm sind. (Foto: Matthias Luggen)

Für Gashi ist klar: Wer keinen Schweizer Pass hat, ist nicht nur rechtlich weniger gut geschützt, sondern hat häufiger Probleme am Arbeitsplatz. «Aufgrund unsicherer Aufenthaltsbewilligungen werden Menschen am Arbeitsplatz unter Druck gesetzt, ausgebeutet und diskriminiert. Migrantinnen und Migranten werden oft als billige Arbeitskräfte ausgenutzt. Das können wir nur ändern, indem die Aufenthaltssicherheit gestärkt und die politische Mitsprache ermöglicht wird», sagt er.

Rezept gegen Spaltung

«Die weltweite Entwicklung Richtung rechter bis faschistischer Diskurse, insbesondere in den demokratischen und rechtsstaatlich starken Ländern, machen Angst», sagt Migrationssekretär Gashi. Ein herausforderndes Jahr steht der Gewerkschaft bevor. Doch es gibt ein Rezept:

Wir müssen entschlossen und überall die solidarischen Strukturen stärken, uns gegenseitig unterstützen und die Hoffnung aufrechterhalten. Menschenrechte, gute und faire Arbeitsbedingungen, gesellschaftliche und politische Teilhabe sind unsere Antworten auf Spaltung, Hass und Hetze. Gewerkschaften sind ein solcher Ort der Solidarität und der Stärke.

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