Unia-Kongress diskutiert das EU-Abkommen
Ohne Lohnschutz, ohne uns!

Die Delegierten machen klar: Eine Ja-Parole zu den Bilateralen III kann es nur geben, wenn die Löhne mit den von den Gewerkschaften erkämpften innenpolitischen Massnahmen geschützt werden. 

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ABSTIMMUNG: Die Delegierten bestimmen, welche Positionen die Unia vertritt. (Foto: Manu Friederich)

Das Land diskutiert zurzeit über zwei politische Geschäfte, die das Verhältnis der Schweiz mit Europa betreffen. Und potentiell die Löhne und die Rechte der Lohnabhängigen gefährden. Beim ersten handelt es sich um die Bilateralen III. Beim zweiten um die sogenannte Nachhaltigkeitsinitiative der SVP, die grün getarnt die Personenfreizügigkeit und damit die flankierenden Massnahmen zum Schutz der Schweizer Löhne abschaffen will (die Hintergründe hier). Dem Kongress lag ein Positionspapier unter dem Titel «Löhne schützen, nicht Grenzen – Rechte ausbauen, nicht abbauen» vor, das zu beiden Geschäften Stellung bezieht und die migra-tionspolitischen Positionen der Unia formuliert (im Volltext hier).

«Nein jetzt!»

Anträge der IG Jugend und der Region Bern-Oberaargau-Emmental wollten das Papier so abändern, dass die Unia bereits jetzt Nein zu den Bilateralen III sagt. Ihre Vertretenden halten die 14 innenpolitischen Massnahmen zum Lohnschutz, über die das Parlament noch abstimmen muss, für ungenügend. Die Befürchtung: Wenn die Unia den Bilateralen zustimmen sollte, würde sie Mitglieder enttäuschen und an Glaubwürdigkeit verlieren und der SVP das Feld überlassen.

«Im Rennen bleiben!»

Nico Lutz von der Geschäftsleitung war persönlich an den Verhandlungen beteiligt, aus denen die vom Bundesrat vorgelegten 14 innenpolitischen Massnahmen zum Lohnschutz entstanden. Er sagte vor dem Kongress:

Es geht nicht darum, sich jetzt sofort für oder gegen diese Abkommen zu positionieren, sondern erst nachdem sich das Parlament geäussert hat. Wir haben immer die Linie der Lohnverteidigung verfolgt, und die vorliegenden Massnahmen bieten deutliche Fortschritte. Es gibt noch Dinge zu korrigieren, aber wenn wir uns aus den Diskussionen zurückziehen, dann sind wir in der weiteren Debatte aus dem Rennen. Begeht diesen strategischen Fehler nicht!

Deutlich wurde im Verlauf der Debatte auch das besondere Unbehagen im Süden. Angelica Sorrentino hielt zwar fest: «Es ist nicht der Moment für Abschottungspositionen, aber die Verhandlungen sind nicht zufriedenstellend.» Im Tessin, erinnerte sie, sind die Lebenshaltungskosten ähnlich hoch wie im Rest des Landes, die Löhne jedoch rund 20 Prozent tiefer. Ein Drittel der Beschäftigten seien Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die bis zu 30 Prozent weniger verdienten. Die regionalen Arbeitgeber profitieren davon seit Jahren und halten am Lohndumping fest. Als Signal, dass es deutliche Verbesserungen braucht, kündigte sie die Enthaltung der Tessiner Delegierten an. 

Der Kongress lehnte in der Folge die Anträge auf ein sofortiges Nein zu den Bilateralen III ab: mit 158 Nein zu 40 Ja und 40 Enthaltungen beziehungsweise mit 144 Nein, 46 Ja und 41 Enthaltungen.

Debatte und Ergebnis machten es einmal mehr deutlich: Ein Ja zu den Bilateralen III gibt es von der Unia nur, wenn diese den Lohnabhängigen nützen. Dazu braucht es im Minimum die 14 innenpolitischen Massnahmen. Die Botschaft der Unia-Delegierten in vier Worten: «Ohne Lohnschutz, ohne uns!» Die engagierte Debatte verfolgten als Kongressgäste auch einige Vertreter von Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden. Hoffentlich haben sie gut zugehört. Und ziehen bei den Instruktionen für ihre Parlamentarierinnen und Parlamentarier die richtigen Schlüsse.

Bilaterale III: Das steht im Massnahmenpaket

Die Gewerkschaften haben mit den Arbeitgeberverbänden 13 Massnahmen ausgearbeitet, mit denen der Lohnschutz, der mit den Bilateralen III geschwächt wird, innenpolitisch abgesichert werden kann. Angereichert mit einer 14. Massnahme zum Kündigungsschutz, hat der Bundesrat diese Massnahmen dem Parlament zur Behandlung überwiesen. Die Hauptpunkte:

Spesenregelung: EU-Firmen, die Beschäftigte in die Schweiz entsenden, müssen künftig sicherstellen, dass diese dieselben Spesen erhalten wie hiesige Arbeitnehmende. Damit soll verhindert werden, dass Spesen als versteckte Form des Lohndumpings missbraucht werden.

Haftungskette bei Subunternehmen: Öffentliche Aufträge dürfen nur an Firmen vergeben werden, die Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen einhalten. Zudem haften Hauptunternehmen künftig mit, wenn ihre Subunternehmen gegen Vorschriften verstossen.

Verbesserungen bei GAV: Das Lohnschutzpaket sieht Anpassungen bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Gesamtarbeitsverträgen vor. Allerdings werden leider nur die Quoten für bestehende Gesamtarbeitsverträge angepasst. Das bringt gerade in wachsenden Branchen mit ungenügenden Arbeitsbedingungen wie etwa der privaten Pflege keine Verbesserung.

Fortschritt beim Kündigungsschutz: Das Schweizer Kündigungsrecht entspricht nicht den völkerrechtlichen Standards. Lohnabhängige, die sich für die Rechte und Interessen ihrer Arbeitskolleginnen einsetzen, sind vor willkürlichen Kündigungen nicht geschützt. Jetzt ist der Bundesrat bereit, minimale Verbesserungen zu machen. 

Über die innenpolitischen Massnahmen und die Haltung der Unia dazu hat work hier ausführlich berichtet.

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