Beizer und Büezer an einem Tisch
«Das grenzt an Sklaverei», titelt am 30. Juni 1996 der «Sonntagsblick». Der Grund: Kellner Anto Blazanovic muss im Berner Restaurant Sternenberg plötzlich acht Stunden mehr arbeiten, also neu 50 Stunden pro...

Fast überall in Europa geht der politische Trend nach rechts. Doch in Irland gewann eine unabhängige Sozialistin, Catherine Connolly, mit 65 Prozent der Stimmen die Präsidentschaftswahl haushoch. Das Amt der Präsidentin ist in Irland zwar weitgehend zeremoniell, dennoch ist Connollys Sieg eine deutliche Abfuhr für die rechten Parteien, Fianna Fáil und Fine Gael, die Irland seit der Unabhängigkeit vor hundert Jahren ununterbrochen regieren.
Connolly wuchs in einem Arbeiterquartier in Galway auf, als neuntes von vierzehn Geschwistern. Ihr Vater war Zimmermann und Schiffbauer. Ihre Mutter starb, als Connolly neun Jahre alt war. Seit ihrer Kindheit setzte sie sich für soziale Gerechtigkeit ein. Im Wahlkampf forderte sie ein «neues Irland»: für Gleichberechtigung, Gewerkschaftsrechte, die irische Sprache, eine aktive Neutralitäts- und Friedenspolitik und einen stärkeren Mieterschutz.
Vielen – besonders Jugendlichen – fällt es immer schwerer, eine Bleibe zu finden. Trotz dem phänomenalen Wirtschaftswachstum von fast 10 Prozent nimmt die Zahl der Obdachlosen stetig zu. Alleine in Dublin wohnen 16 000 Menschen in Notunterkünften. Trotzdem setzen die rechten Parteien weiterhin auf den «freien Markt». Zudem befeuern sie den rasanten Anstieg der Mieten durch Mietsubventionen von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Mietzuschüsse füllen letztlich aber nur die Taschen der Vermieter, da diese die Mieten an die Zahlungsfähigkeit der Mietenden anpassen dürfen. Dagegen vernachlässigen die rechten Parteien seit Jahren den Mieterschutz und den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau. Kein Wunder, konnte Connolly die Vision eines «neues Irland» überzeugend vermitteln.
Trotz der Wahlschlappe halten die rechten Parteien an ihrer neoliberalen Politik fest. Der Parteichef von «Fine Gael», Simon Harris, ist nun aber noch weiter nach rechts gerückt und macht die Migration für die sozialen Probleme im Land verantwortlich. Bisher hatte Fremdenfeindlichkeit in Irland keinen Platz. Sogar die irische Nationalhymne – ursprünglich ein Gewerkschaftslied aus dem Unabhängigkeitskampf – begrüsst ausdrücklich alle, «die aus einem Land jenseits der See gekommen sind».
Doch seit Wochen machen Rechtsextreme, mit rechtsextremer Unterstützung aus den USA und aus England, Stimmung gegen Migrantinnen und Migranten. Nach dem fremdenfeindlichen Schwenk von Harris kam es sogar zu Brandanschlägen auf Asylunterkünfte. Um die Privilegien der Reichen zu verteidigen, spielen rechte Politiker offensichtlich nun auch in Irland mit den Feuer.
Roland Erne schreibt hier im Turnus mit Regula Rytz, was die europäische Politik bewegt.