Elektro-GAV ist endlich im Kasten:
Stromer erhalten mehr Lohn und Ferien!

Stromer Silvan Röthlisberger hat viel Energie in den neuen Elektro-GAV gesteckt. Jetzt freut er sich, kritisiert aber die ­Arbeitgeber-«Logik» – und ein Manko, das bleibt.

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GUT GELAUNT: Silvan Röthlisberger ist zufrieden mit dem neuen GAV, doch in einem Punkt, sagt er, «werden wir nicht lockerlassen». (Foto: Nicolas Zonvi)

Gähnende Leere herrscht um die Mittagszeit am stillgelegten Bahnhof Bäretswil im Zürcher Oberland. Dann braust plötzlich ein roter Budenkarren ums Eck. Vorbei düst ein zufrieden dreinschauender Typ. Das muss Silvan Röthlisberger sein! Der Elektroinstallateur mit Bauleiterdiplom hat schliesslich gut lachen. Erstens gehört er zu den wenigen Glücklichen, die – dank gutem Chef – jeweils schon am Freitagmittag ins Wochenende können. Und zweitens will Röthlisberger heute von den Fortschritten berichten, die der neue Elektro-GAV bringt. An diesen ist der 40jährige nicht ganz unschuldig. Röthlisberger ist nämlich seit eh und je Gewerkschaftsmitglied, engagiert sich im Regiovorstand der Unia Zürich-Schaffhausen und sass während der GAV-Verhandlungen in deren Begleitausschuss. Zu Hause in seiner Stube will der Berufsmann gleich zur Sache kommen. Doch Tochter Medina funkt dazwischen.

Langer Schnauf war nötig

Die Siebenjährige hüpft aus ihrem Zimmer, fällt ihrem Papi um den Hals – und will jetzt spielen! Röthlisberger fährt nun also mehrgleisig. «Bei uns Stromern hat sich einiges getan», erzählt er mit der Tochter auf dem Schoss. «Noch 2018 war unser Organisationsgrad tief, eine Elektro-Gruppe gab’s in Zürich nicht wirklich.» Dann aber habe die Unia-Sekretärin Aida Sabic die Sache in die Hand genommen. «Jetzt sind wir eine stabile Gruppe», sagt Röthlisberger. Während der GAV-Kampagne hätten sie sich monatlich getroffen. Gestartet hatte alles 2022 mit einer schweizweiten Umfrage. Demnach waren die dringendsten Anliegen der Stromerinnen und Stromer: mehr Lohn, weniger Termindruck, kürzere Arbeitstage, mehr Ferien und eine Frühpensionierung. Dafür gingen im Herbst 2023 über 1200 Berufsleute auf die Strasse (work berichtete).

STROMER BEI DER ARBEIT: Silvan Röthlisberger hantiert mit Kabeln. (Foto: Nicolas Zonvi)

Mit dabei waren auch Kolleginnen und Kollegen aus der Gebäudetechnik. Die beiden verwandten Berufsgruppen beschlossen damals nämlich den Schulterschluss. Eine historische Premiere, die sich besonders für die Gebäudetechniker auszahlte: Sie erhielten auf 2025 einen neuen GAV samt Frühpensionierung ab 62,5 Jahren. Demgegenüber entpuppten sich die Verhandlungen mit den Elektro-Chefs als zäher. Sie dauerten ein ganzes Jahr länger. Doch jetzt ist klar: In fast allen Punkten geht es vorwärts (siehe Box unten).

Die Angriffe der Chefs

Nur eine Frühpensionierung verweigern die Arbeitgeber noch immer. «Neben den Schreinern sind wir Stromer jetzt die Einzigen im Bau ohne Frühpension», sagt Röthlisberger. «Aber wir lassen nicht locker!» Mit dem GAV-Resultat sei er trotzdem zufrieden, zumal die Chefs mit ihren Angriffen nicht durchgekommen seien. «Die wollten uns wegen des Personalmangels die 45-Stunden-Woche aufbrummen!» empört sich Röthlisberger. Dabei sei doch klar, dass so noch mehr Leute davonliefen.

Überhaupt verstehe er die Logik des Arbeitgeberverbands EIT.Swiss nicht. Röthlisberger sagt:

Sie wollen zwar attraktiver werden, aber kosten darf es nichts.

Das gehe nicht. Dabei seien beidseitig zufriedenstellende Lösungen möglich. Das zeige die Einigung bei den Überstunden. Mit der Vergütung auf Ende Jahr statt wie bisher monatlich sinke der administrative Aufwand. Und die Angestellten profitierten, da die Überstundenlimite sinke und neu auch mit Freizeit kompensiert werden könne. Besonders freut sich Röthlisberger über mehr Ferien. Die will er auch im nächsten Sommer in der Sächsischen Schweiz verbringen, der Heimat seiner Frau. Oder aber einfach in Bäretswil, wo der Bahnhof nämlich überhaupt nicht immer ruht. Dank Röthlisberger und seinen Gspänli vom Dampfbahn-Verein Zürcher Oberland rollen hier von Zeit zu Zeit historische Loks und Waggons ein. Dann faucht’s und raucht’s, hupt’s und pfeift’s. Und für einmal lässt selbst Stromer-Crack Röthlisberger alles Elektrische liegen.

Neuer Stromer-GAV: Das ändert sich!

1. Mehr Lohn
Alle Mindestlöhne steigen bis 2029 um 200 Franken, alle Effektivlöhne um mindestens 200 Franken. Den Teuerungsausgleich gibt’s länger automatisch (bis 1,5 Prozent).

2. Mehr Ferien
27 Tage Ferien im Jahr sind neu das Minimum für alle bis 49 Jahre. Das entspricht einem Plus von 2–3 Tagen. 50- bis 54jährige bekommen sogar 5 Tage mehr (6 Wochen Ferien, wie schon bisher Ü55er).

3. Mehr Geld für Überstunden
Alle Überstunden, die ein Saldo von 100 Stunden übersteigen, werden per Jahresende
mit 25-Prozent-Zuschlag ausbezahlt. Bisher war das erst ab 120 Stunden der Fall. Zudem dürfen ­Arbeitnehmende ihr Saldo neu auch mit Freizeit kompensieren. Andererseits werden die ­Zuschläge ab 45 Stunden pro Woche nicht mehr am Monatsende ausbezahlt.

4. Mehr Mittagsspesen
Bisher gab es 16 Franken Mittagsspesen, falls die Baustelle mehr als 20 Minuten von der
Firma oder vom Zuhause des Büezers entfernt war. Neu gibt es 18 Franken, wenn die Bau­stelle mehr als 15 Minuten von der Firma entfernt ist (gemäss effektivem Verkehr). Das Arbeitnehmerdomizil entfällt als Kriterium.

5. Mehr Reisezeit bezahlt
Fahren Arbeitnehmende von zu Hause direkt auf die Baustelle, muss die Chefin nur jene Zeit ­bezahlen, die den Weg zwischen Zuhause und Firma überschreitet. Alternativ kann sie rund um den Betrieb ein Rayon festlegen. Befindet sich die Baustelle in diesem Rayon, gilt die Fahrtzeit als nicht bezahlte Arbeitszeit. Bisher konnte die Chefin das Rayon so gross festlegen, wie sie wollte, neu wird es auf 15 Minuten Fahrzeit begrenzt.

6. Voller Lohn für Papi-Zeit
Die gesetzlichen 2 Wochen Vaterschaftsurlaub werden neu zu 100 Prozent bezahlt.

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