Co-Gewerbeleiter Aldo Ferrari über die Offensive der Stromerinnen und Gebäudetechniker:

«Wir haben gute Karten in der Hand!»

Jérôme Béguin

Die Neuverhandlungen der Gesamtarbeitsverträge (GAV) im Elektrogewerbe und in der Gebäudetechnik sind eröffnet. Aldo Ferrari, Unia-Co-Leiter Sektor Gewerbe, erklärt, warum die Lage günstig ist. Und warum es trotzdem eine Demo braucht.

KÄMPFERISCH I: Aldo Ferrari weiss, was den Büezerinnen und Büezern zusteht.  (Foto: Keystone)

work: Aldo Ferrari, am 7. Oktober demonstrieren die Elektriker und Gebäudetechnikerinnen gemeinsam in Zürich. Warum?

Aldo Ferrari: Weil die GAV beider Branchen zur gleichen Zeit auslaufen und weil beide Bereiche stark von der Energiewende betroffen sind. Konkret erleben beide Branchen eine regelrechte Explosion des Arbeitsvolumens. Die Nachfrage nach Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen ist immens. Schon jetzt sind die Folgen deutlich zu spüren: Mangel an qualifiziertem Personal und damit verbunden ein noch höherer Druck auf die Arbeitenden! Unsere Demonstration findet in Zürich statt, weil dort die beiden Arbeitgeberverbände EIT.swiss und Suissetec ihren Sitz haben. Und wir demons­trieren branchenübergreifend, weil wir gemeinsam stärker sind.

Profitieren die Elektrikerinnen und Gebäude­techniker denn nicht von der guten Konjunktur in ihren Branchen?

Nicht in dem Masse, wie sie es sollten. Aber im Rahmen der Vertragserneuerungen wollen wir erreichen, dass die Qualifikationen der Beschäftigten anerkannt werden und gute Arbeitsbedingungen herrschen. Dazu gehört auch eine echte Aufwertung der Löhne. Das Volks-Ja zum Klimagesetz garantiert den Unternehmen volle Auftragsbücher. Und zwar für die nächsten zehn Jahre! Davon müssen auch jene profitieren, die an vorderster Front für die Energiewende arbeiten.

Was fordern die Büezerinnen und Büezer denn?

Gute Löhne, die Frühpensionierung, würdige Arbeitsbedingungen und Zeit. Zeit, um gute Arbeit zu leisten. Aber auch Zeit, um den Beruf mit dem Privatleben vereinbaren zu können. Heutzutage gibt es immer mehr Druck und immer mehr Arbeit, aber immer weniger Menschen, die sie erledigen können. Nur gute Arbeitsbedingungen können den enormen Fachkräftemangel stoppen. Denn gute Arbeitsbedingungen ziehen neue Berufsleute an und verhindern die Abwanderung des bestehenden Personals in andere Branchen. So wird auch der Druck auf die Einzelnen verringert.

Wie sind die ersten Verhandlungsrunden gelaufen?

Sie haben einigermassen gut begonnen. Schliesslich sind sich auch die Arbeitgeber bewusst, dass sie einen massiven Personalmangel haben. Aber sie glauben, dass sie diesem Problem mit Flexibilisierungen begegnen können. Und mit einer Verlängerung der Arbeitszeit! Da machen wir nicht mit. Wir sind klar der Meinung, dass Arbeitszeitanpassungen in erster Linie im Interesse der Arbeitnehmenden erfolgen müssen.

Was heisst das konkret?

Gerade junge Arbeitende möchten zum Beispiel vermehrt Teilzeit arbeiten. Das ist heute fast nirgends möglich. Und wenn Überstunden geleistet werden müssen, sollte der
Stromer oder die Gebäudetechnikerin selbst entscheiden können, wann er oder sie diese Überstunden kompensiert. Es kann nicht sein, dass man immer springen muss, wenn es dem Chef oder der Kundin gerade passt.

Die Mobilisierung für die Demo läuft auf Hoch­touren. Wie ist das Echo auf den Baustellen?

Wir haben eine sehr gute Organisation von aktiven Berufsleuten. Und wir erhalten sehr viele positive Rückmeldungen aus den Regionen. Auch die beiden Petitionen, die wir lanciert haben, stossen auf reges Interesse. Es gibt ein echtes Engagement der Arbeitenden. Denn sie sind sich bewusst, dass bei diesen Vertragserneuerungen viel auf dem Spiel steht. Die Verträge regeln immerhin die Arbeitsbedingungen für die nächsten vier Jahre. Für die Lernenden geht es oft vor allem um die Mindestlöhne, die der GAV ihnen nach dem Lehrabschluss garantiert. Für erfahrene Berufsleute wiederum steht vielleicht eher die Frühpensionierung im Vordergrund. Schliesslich spüren sie genau, wie die Hektik auf den Baustellen zugenommen hat. Aber betroffen sind alle. Übrigens: In der Genferseeregion und im Tessin ist die Frühpensionierung in der Gebäudetechnikbranche längst Realität. Das muss doch auch in der übrigen Schweiz möglich sein!

Das Volks-Ja zum Klimagesetz garantiert den Unternehmen volle Auftragsbücher. Davon müssen jene profitieren, die an vorderster Front für die Energiewende arbeiten.

Hand aufs Herz: Wie gut stehen die Chancen für substantielle Fortschritte wirklich?

Eine Sache möchte ich klar betonen: Der Bedarf an Arbeitskräften ist heute gross und wird morgen noch viel grösser. In einer solchen Situation ist die Verhandlungsposition der Arbeitnehmenden ganz grundsätzlich stark. Wir haben also sehr gute Karten in der Hand! Jetzt müssen wir sie nur noch geschickt ausspielen. Deshalb ist die Demonstration vom 7. Oktober so wichtig. Vor fünf Jahren haben wir eine schöne Mobilisierung mit den Elektrikerinnen und Elektrikern durchgeführt. Und die damalige Stromer-Demo hat Früchte getragen. Wir haben ausgezeichnete Verbesserungen des GAV erreicht. Zum Beispiel Mindestlohnerhöhungen von bis zu 550 Franken, den 13. Monatslohn für alle Lernenden, 100 Franken mehr für alle und eine Erhöhung der Essensspesen von 12 auf 16 Franken. Diese Verbesserungen müssen jetzt weiterentwickelt werden. Aber auch die Kollegen und Kolleginnen in der Gebäudetechnik brauchen konsequente Fortschritte. Wir müssen uns bewegen – für die Zukunft, für die Kolleginnen und Kollegen, die jahrelang auf den Baustellen gearbeitet haben, aber auch für die Jugend.

* Dieses Interview erschien zuerst in der Westschweizer Unia-Zeitung «L’Evénement syndical».

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