Sonntagsallianz präsentiert neue Studie
Der Sonntag ist ein Schutzraum

Turbolädeler wollen auf Teufel komm raus am Sonntag arbeiten lassen. Dabei macht Sonntagsarbeit krank, schadet dem Familienleben und der gesamten Gesellschaft. Das zeigt eine neue Studie im Auftrag der Sonntagsallianz.

Beitrag vorlesen lassen.
0:00 / 6:44
DIE SONNTAGSALLIANZ: Dr. Christine Bigler, Universität Bern, Dr. med. Klaus Stadtmüller, Co-Präsident Schweizerische Gesellschaft für Arbeitsmedizin, Pfarrerin Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz, Florence Quinche, Leiterin Dienststelle Ethik und Gesellschaft der römisch-katholischen Kirche, Yvonne Feri, Präsidentin Syna und Präsidentin des Vereins femmes protestantes, Unia-Präsidentin Vania Alleva und Adrian Wüthrich, Präsident von Travail Suisse (v.l.). (Foto: Thierry Porchet)

Der arbeitsfreie Sonntag scheint den Bürgerlichen ein Graus. Immer wieder blasen sie zum Angriff auf den Ruhetag und damit auf die Gesundheit der Arbeitnehmenden. Weil das ein Bedürfnis der Bevölkerung sei. Dumm nur, dass die Bevölkerung dies nicht so sieht: In den letzten 15 Jahren gab es in Gemeinden und Kantonen rund 30 Abstimmungen über Samtags- oder Sonntagsarbeit sowie längere Ladenöffnungszeiten. Die Stimmbevölkerung hat drei Viertel dieser Vorlagen bachab geschickt.

Doch das schreckt die Bürgerlichen nicht ab, es immer wieder aufs neue zu versuchen: aktuell mit einer Standesinitiative aus dem Kanton Zürich. Diese will das Verkaufspersonal statt an vier, neu an zwölf Sonntagen pro Jahr chrampfen lassen. Oder mit der parlamentarischen Initiative von Noch-FDP-Präsident Thierry Burkart: Unter dem Deckmäntelchen der «flexiblen Arbeitszeit», getarnt als «Homeoffice», fordert seine parlamentarische Initiative 17-Stunden-Tage, Nachtarbeit auf Abruf und noch mehr bewilligungslose Sonntagsarbeit.  

Sonntagsarbeit ist in der Schweiz grundsätzlich verboten. Doch bereits heute gibt es zahlreiche Ausnahmen: in den Dienstleistungsbranchen, bei Verkehr und Lagerei, im Gesundheits- und Sozialwesen, im Gastgewerbe und in der Land- und Forstwirtschaft. Insbesondere im Detailhandel ist das Sonntagsarbeitsverbot bereits arg aufgeweicht: Ausnahmen gelten für Gastbetriebe, Bäckereien, Konditoreien, Confiserien, Kioske, Familienbetriebe, Tourismuszonen etc. Also eigentlich schon fast überall. 

BRANCHEN, DIE VON SONNTAGSARBEIT BETROFFEN SIND: Die Grafik zeigt unterteilt nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit, wer in diesen Bereichen arbeitet.

Das Wort zum Sonntag

Weit seltener als die Ausnahmen zur Sonntagsarbeit sind Studien über deren Auswirkungen auf die Arbeitnehmenden. Das wollte die Sonntagsallianz ändern und hat deshalb bei der Uni Bern eine Studie in Auftrag gegeben. Die 2012 gegründete Allianz ist ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Frauenverbänden, politischen Parteien, Kirchen und kirchlichen Verbänden sowie der Schweizerischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin. Ihr Ziel ist es, den Sonntag als freien Tag zu verteidigen. Leena Schmitter ist Co-Leiterin Detailhandel bei der Unia und Koordinatorin der Sonntagsallianz. Sie sagte an der Medienkonferenz, an der die Allianz die Studie präsentierte:

Es ist wichtig, dass wir als Bündnis wieder sichtbarer werden. Denn nicht nur die Gewerkschaften sind entschieden gegen Sonntagsarbeit. Die Sonntagsallianz zeigt: das Anliegen wird breit getragen.

Das sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

  • Immer mehr Frauen, Migrantinnen und Migranten müssen sonntags arbeiten. Das liegt daran, dass sie besonders oft in Branchen arbeiten, die von Sonntagsarbeit betroffen sind – wie das Gesundheitswesen, das Gastgewerbe und der Detailhandel. 
  • Frauen, junge Erwachsene und ältere Arbeitnehmende arbeiten überdurchschnittlich oft auch sonntags.
  • Ob Sonntagsarbeit selbstgewählt oder fremdbestimmt geleistet wird, ist entscheidend für das Ausmass der negativen Auswirkungen. (Selbstbestimmte Arbeitseinsätze sind aber mitnichten die Art von «Flexibilität», die die Arbeitgeber fordern.)
  • Sonntagsarbeit erschwert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, was wiederum die Frauen benachteiligt, die den Hauptanteil an unbezahlter Care-Arbeit leisten.
  • Sonntagsarbeit kann zu Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, emotionaler Erschöpfung oder Depression führen.
  • Sonntagsarbeit beeinträchtigt soziale Ritualen wie Gottesdienste, Familientreffen, Vereinsanlässe oder politische Teilhabe.

Pfarrerin Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, sagte:

Der Sonntag ist unabhängig von der christlichen Glaubenspraxis als Tag der Begegnung, Gemeinschaft, Entspannung und Ruhe für alle Menschen da.

Und Florence Quinche, Leiterin Dienststelle Ethik und Gesellschaft für der katholischen Kirche, ergänzt:

Der Sonntag als Ruhetag ermöglicht es den Menschen, sich nach anderen Werten als den wirtschaftlichen auszurichten.

Yvonne Feri von der Gewerkschaft Syna bezeichnete den «Sonntag als Schutzraum», in den kein Chef und keine Arbeit eindringen können.

ENTWICKLUNG: Die Erwerbstätigkeit in der Schweiz, unterteilt nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit.

Für Unia-Präsidentin Vania Alleva ist klar:

Sonntagsarbeit ist kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt. Der arbeitsfreie Sonntag ist ein zentraler Schutz für Gesundheit und Gesellschaft und kein Privileg.

Ausserdem weist sie darauf hin, dass die Unia wiederholt Umfragen im Detailhandel zur Sonntagsarbeit gemacht hat und die Antworten stets glasklar waren: Die Verkäuferinnen und Verkäufer wollen sonntags nicht arbeiten.  

Turbolädelerinnen und -lädeler behaupten gerne, Sonntagsarbeit sei bei den Mitarbeitenden beliebt, weil es dafür einen Lohnzuschlag gebe. Das Gesetz schreibt aber nur bei vorübergehender Sonntagsarbeit einen Lohnzuschlag vor, und zwar 50 Prozent. Für Arbeitsmediziner Klaus Stadtmüller, Mitglied der Sonntagsallianz, ist dies bezeichnenderweise ein «Schmerzensgeld».  Wer jedoch regelmässig sonntags arbeiten muss, hat kein Anrecht auf einen Zuschlag. Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Sonntagsentschädigung bereits im Grundlohn enthalten sei.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.