Ständeratskommission will 12 Sonntagsverkäufe pro Jahr
Gesundheitsschutz? Uns doch egal!

Der Kanton Zürich verlangt eine Verdreifachung der bewilligungsfreien Sonntagsarbeit im Detailhandel. Die rechte Mehrheit der zuständigen Ständeratskommission findet’s grossartig. Die Gewerkschaften künden entschiedenen Widerstand an.

HÄNDE WEG VOM FREIEN SONNTAG: Die Büezerinnen und Büezer wehren sich gegen die Pläne der Bürgerlichen. (Foto: Elisabeth Fannin)

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Darum geht’s

Die bürgerliche Mehrheit des Zürcher Kantonsparlaments hat eine Standesinitiative eingereicht, die es den Kantonen ermöglichen soll, den Detailhändlern zu erlauben, das Personal bewilligungsfrei an 12 Sonntagen pro Jahr aufzubieten. Die bürgerlichen Mehrheiten in den zuständigen Kommissionen des Stände- und des Nationalrates finden das gut.

Das steckt dahinter

Das Schweizer Arbeitsgesetz ist im internationalen Vergleich schwach. Trotzdem ist es den Arbeitgebern und den marktradikalen Ideologen ein Dorn im Auge. Sie wollen möglichst rund um die Uhr Zugriff auf die Arbeitskraft der Menschen. Sie nennen die angestrebte Schutzlosigkeit «Flexibilisierung». Und sie finden immer neue Vorwände, um ihren alten Traum vom möglichst ausgelieferten Lohnabhängigen zu verwirklichen: aktuell zum Beispiel den Home-Office-Boom (zum work-Beitrag). Ein Lieblingskampfplatz für die Arbeitnehmerschutz-Gegenerinnen und -Gegner sind die Ladenöffnungszeiten (work berichtete). Die «berufstätige Hausfrau», die vor Jahrzehnten noch hinhalten musste als Argument für längere Ladenöffnungszeiten, wurde argumentativ über die Jahre von Touristinnen und Touristen, Internet-Einkaufenden, Schichtarbeitenden und vielen weiteren abgelöst.  

Das ist neu

Im Oktober 2024 hatte die Kommission der Standesinitiative bereits zugestimmt. Bevor sie sich an einen Erlassentwurf machen konnte, musste die Schwesterkommission des Nationalrats zustimmen. Das tat diese wenig überraschend im Januar. Unterdessen hat die Ständeratskommission einen Vorentwurf zur Umsetzung der Standesinitiative gebastelt und am 2. Juni beschlossen, dazu ein Vernehmlassungsverfahren zu eröffnen.

Das sagen die Gewerkschaften

Die Gewerkschaften wissen seit Jahrzehnten, dass es den Arbeitgebern und ihren Parteien um mehr als «nur» Sonntagsshopping geht: Schritt für Schritt soll schleichend die Sonntagsarbeit in allen Branchen und Berufen eingeführt werden. Der Kampf der Gewerkschaften ist keiner von «Ewiggestrigen aus dem vorherigen Jahrhundert», wie marktradikale Ideologen und Politikerinnen behaupten. Es ist ein Kampf für die Gesundheit der Arbeitnehmenden und das soziale Leben der Lohnabhängigen. Denn alle Studien zeigen: Regelmässige Sonntagsarbeit führt zu Stress, Schlafstörungen und begünstigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Magen-Darm-Probleme. Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner warnen vor Burnout, Muskel-Skelett-Erkrankungen und langfristiger Erwerbsunfähigkeit. Das soziale Leben und das Familienleben leiden massiv darunter, wenn der Sonntag als einziger garantiert gemeinsamer Feiertag wegfällt.

Das sagt das Volk

Trotz angeblich überwältigendem Bedürfnis der Bevölkerung nach Einkaufen an sieben Tagen rund um die Uhr, lehnte das Stimmvolk in den vergangenen 20 Jahren 70 Prozent der «Liberali­sierungs»-Vorlagen ab, wenn diese an die Urne kamen. Zuletzt diesen Mai in Kanton St. Gallen (work berichtete). Und auch jene, die nicht abstimmen gehen, zeigen den rechten Turbo-Lädelern die kalte Schulter: Schon heute werden eigentlich mögliche Sonntagsverkäufe nicht ausgeschöpft, weil es sich nicht lohnt. Zum Teil nicht einmal in der Vorweihnachtszeit.

So geht’s weiter

Im August wird die Kommission ihren Vorschlag in die Vernehmlassung schicken. Danach wird die Kommission ihren Entwurf anpassen oder auch nicht. Dieser geht dann auf seinen weiteren parlamentarischen Weg. Sollte er diesen überstehen, wird das Volk nach einem gewerkschaftlichen Referendum das letzte Wort haben. Ebenfalls im August wird die von der Unia lancierte Petition «Hände weg vom Sonntag» übergeben (zum work-Beitrag). Die Petition kann über diesen Link unterschrieben werden.

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