Volk sagt immer wieder Nein, jetzt soll es schweigen

Der ewige Kampf um die ­Ladenöffnungszeiten

Clemens Studer

Längere Ladenöffnungszeiten sind ein Fetisch der Gewerbeverbände. Doch beim Stimmvolk mässig erfolgreich. Darum setzen rechte Politikerinnen und Politiker jetzt auf Verordnungen und den Bund.

ER HAT GUT ZWINKERN: Der Samichlaus arbeitet nur an einem Tag pro Jahr, und das ist meist kein Sonntag. (Foto: Keystone)

Die NZZ lieferte eine glasklare Analyse: Die geltenden Gesetze verhindern «eine Anpassung der Ladenöffnungszeiten an die Bedürfnisse einzelner Branchen». Und darum auch an die «Bedürfnisse einzelner Bevölkerungsgruppen». Zum Beispiel jener der «berufstätigen Hausfrauen». Jenen bliebe zwischen Fabrik- und Ladenschluss nämlich zu wenig Zeit zur Erledigung ihrer «Kommissionen». Darum sei längeren Ladenöffnungszeiten «alle Aufmerksamkeit zu schenken». Das war 1961.

Heute, sechs Jahrzehnte und sechs Mondlandungen ­später, schenken die Gewerbeverbände noch längeren Arbeitszeiten immer noch viel Aufmerksamkeit. Obwohl die Läden so lange offen sind, wie sich der NZZ-Journalist vor 60 Jahren wohl nicht in den wildesten Träumen zu erhoffen wagte. Die «berufstätige Hausfrau» wurde argumentativ über die Jahre von Touristinnen und Touristen, Internet-Einkaufenden, Schichtarbeitenden und vielen weiteren abgelöst. Und bei den Ladenöffnungszeiten wurden die Ausnahmen, die vermeintlich die Regel bestätigen, immer zahlreicher. So sind die Bahnhöfe in den Städten längst kaum mehr getarnte, auch am Sonntag bis spätabends geöffnete Warenhäuser, und immer mehr Tankstellen sind dauergeöffnete Läden mit angeschlossener Zapfsäule.

Auffällig I: Trotz angeblich überwältigendem Bedürfnis der Bevölkerung lehnte ebendiese in den vergangenen 17 Jahren über 70 Prozent der «Liberali­sierungs»-Vorlagen ab, wenn diese an die Urne kamen.

Auffällig II: Auch dort, wo rechte Parteien und Gewerbeverbände längere Ladenöffnungszeiten oder zusätzliche Sonntagsverkäufe durchtrötzelten, hält sich die Begeisterung der operativen Gewerblerinnen und Gewerbler in Grenzen. Neustes Beispiel aus dem Kanton Solothurn: In Olten, der grössten Stadt, verzichten selbst die Grossverteiler auf eigentlich erlaubte zusätzliche Sonntagsverkäufe. Rentiert nicht.

Auffällig III: Weil längere Ladenöffnungszeiten in Gemeinden und Kantonen – die eigentlich zuständig sind – vom Volk häufig abgelehnt werden, setzen die Turbo-Lädeler auf den Bund. Auf Wunsch rechter Kantons­regierungen sollen jetzt auf Bundesebene auf dem Verordnungsweg absurd grosse «städtische Tourismusquartiere» definiert werden und damit zum Beispiel die Kernstädte etwa von Zürich, Bern, Basel und Luzern zum 7-Tage-Shoppingcenter. Zur Verordnung hätte das Volk nichts zu sagen.

Mehr zum jahrzehntelangen Kampf um die Ladenöffnungszeiten gibt’s im work-Artikel «Immer lächeln, während die Füsse weinen». Nachzulesen hier.

1 Kommentar

  1. Nita

    Ja, wir können auch 24 h offen haben, aber denen, die nicht planen können, genügt das trotzdem nicht.

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