Bäckerin Kathrin Schenk: Hohe Zeit fürs Backen im Advent
Die Welt von Kathrin Schenk duftet herrlich: Brote, Kuchen, Guetsli, Schoggi. Dahinter steckt viel Arbeit, gerade in der Weihnachtszeit.

Jetzt ist es offiziell: Der neue Gesamtarbeitsvertrag (GAV) fürs Bäcker-, Konditoren- und Confiseurgewerbe ist seit Juli in Kraft. Gewerkschaftsmitglied und Bäckereiangestellte Brigitte K.* (57) freut sich.
Für das warme Schoggigipfeli mit schmelzender Schoggi-Nuss-Füllung am Morgen ist eine ganze Kette von Berufsleuten notwendig. In der Produktion von Back- und Süsswaren arbeiten neben Bäckerinnen, Confiseuren und Konditorinnen auch eine Menge Hilfskräfte, die Sandwiches belegen oder Brote schmieren. Grössere Bäckereien haben ihre Produktion oft sogar ausgelagert, weshalb es auch Chauffeure braucht, die die Weggli und Co. von A nach B fahren. Und last, but not least die Verkäuferinnen und Verkäufer, die ab dem frühen Morgen die Kundschaft bedienen und dazu oft noch Gipfeli aufbacken müssen. Für all diese Menschen gilt seit dem 1. Juli ein neuer, vom Bundesrat für allgemeinverbindlich erklärter Gesamtarbeitsvertrag (GAV). «Dieser GAV ist ein echter Fortschritt für die Beschäftigten, sagt Anne Rubin, Mitglied der Sektorleitung Dienstleistungsberufe bei der Unia. Die Gewerkschaft war rund zehn Jahre nicht mehr Sozialpartnerin in der Branche. Jetzt hat sie sich wieder als Vertragspartnerin durchgesetzt. Mit Erfolg, meint Rubin: «Der GAV bringt nicht nur mehr Lohn, sondern auch mehr Lebensqualität – das ist in dieser Branche längst überfällig.»
35 000 Berufsleute profitieren vom neuen GAV. Eine von ihnen ist Brigitte K.* (57). Sie ist Verkäuferin bei einer grossen Bäckereikette in Bern. Im Verkauf an der Front steht sie erst seit zwei Jahren. Vorher war die gelernte hauswirtschaftliche Betriebsleiterin 16 Jahre mit unbezahlter Care-Arbeit beschäftigt. Eines ihrer Kinder ist mit einer Behinderung zur Welt gekommen, weshalb es besonders viel Betreuung benötigte. Nach all diesen Jahren wieder in ihren alten Beruf einzusteigen, war unmöglich. Umso dankbarer ist sie für den Quereinstieg in den Verkauf. Doch sie ist nicht ohne Grund Mitglied der Gewerkschaft.
Bei ihrem Quereinstieg als Verkäuferin landete Brigitte K. zuerst in einem Betrieb mit faulen Arbeitsbedingungen: Gratisüberstunden standen regelmässig auf dem Programm. Als sie ihrer Nachbarin davon erzählte, riet ihr diese, der Gewerkschaft beizutreten. K. sagt: «Für den Tipp war ich so dankbar! Aber eigentlich ist es ja schade, dass man erst in schlechten Zeiten auf die Idee kommt, Teil der Gewerkschaftsbewegung zu werden.»
Sie wechselte zu der Bäckereikette in Bern, wo sie seit zwei Jahren arbeitet. Im Gespräch mit work sagt sie: «Hier fühle ich mich wohl!» Doch es gibt auch Baustellen: Die Fluktuation ist sehr gross. Gerade Aushilfskräfte wie Studierende kommen und gehen. Langfristig hinter der Bäckereiauslage zu arbeiten ist für wenige das Ziel. «In diesem Beruf wird einem schnell bewusst: Es sind nicht die attraktivsten Arbeitszeiten. Und gerade um Feiertage wie Weihnachten, Ostern, Muttertag oder auch an gewöhnlichen Sonntagen ist der Laden voll!» Doch genau bei den Arbeitszeiten entlastet der neue GAV: Neu gibt es mindestens zwölf freie Wochenenden. Zudem besteht nun ein klarer Anspruch auf zwei Ruhetage pro Woche. Als Verkäuferin merke man das sehr wohl, sagt Brigitte K. «Gerade für meine Kolleginnen und Kollegen mit kleinen Kindern ist es wichtig, dass sie an den Wochenenden freihaben.»
Weitere Errungenschaften im neuen GAV sind die Erhöhung der Mindestlöhne je nach Qualifikationen und Dienstjahren um 3,1 bis 7,7 Prozent, der automatische Teuerungsausgleich sowie ein Nachtzuschlag von 25 Prozent für alle Berufskategorien. Bislang erhielten nur Gelernte mit eidgenössischem Abschluss einen Nachtzuschlag. Um die Arbeitszeiten attraktiver zu gestalten, sind die Betriebe zudem neu dazu verpflichtet, Dienstpläne mindestens zwei Woche im voraus und für zwei ganze Wochen bekanntzugeben. Und: Erstmals gilt der GAV auch für Lernende. Sie haben neu Mindestlöhne zwischen 850 und 1400 Franken.
Auch Brigitte K. freut sich über diese Fortschritte. Was ihr aber noch fehlt, ist die Berücksichtigung der klimatischen Bedingungen im Betrieb: «Wir backen im Laden frühmorgens Gipfeli auf. Die Hitze bleibt und ist für die Belegschaft und die Kundschaft unangenehm. Trotz guter Lüftung im Laden ist es gerade im Sommer sehr heiss.»
Um die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern, ruft die Unia alle Beschäftigten der Branche dazu auf, sich zu organisieren. Für die Unia-Verantwortliche Rubin ist klar: «Nur mit einer starken gewerkschaftlichen Basis lassen sich faire Löhne, geregelte Arbeitszeiten und Respekt am Arbeitsplatz dauerhaft sichern.»
*Name der Redaktion bekannt.