Von Grüselzuständen in seiner Backstube will Konditormeister René Schweizer nichts wissen. Doch ehemalige Mitarbeitende widersprechen – und machen Stress und Angst verantwortlich.
NEUE ENTHÜLLUNGEN: Mehrere Voland-Konditorinnen berichteten im letzten work von Käfern, Würmern und abgelaufenen Zutaten. Darauf meldeten sich zehn weitere Ex-Mitarbeitende bei der Redaktion. (Foto: work)
Würmer in der Nussgipfelmasse, Schimmel in der Backstube, Mäusekot im Lager. Die Vorwürfe gegen René Schweizer, Inhaber der Zürcher Konditorei-Kette Voland und SVP-Nationalratskandidat, wiegen sehr schwer. Erhoben haben sie mehrere Voland-Mitarbeiterinnen im letzten work. Kaum war der Artikel erschienen, verlangte Schweizer seine Löschung. Es handle sich um «Rufmord», liess er über seinen Vertreter und Parteikollegen Claudio Schmid verlauten. Und auf der Firmen-Website veröffentlichte er eine Stellungnahme, die es in sich hat. Voland sei ein «gutes» und «sauberes» Unternehmen, schreibt Schweizer. Auf die konkreten Vorwürfe geht er allerdings mit keinem Wort ein. Ins Visier nimmt er stattdessen eine «junge Mitarbeiterin», deren Arbeitsverhältnis «inzwischen aufgelöst» sei.
CHEF WITTERT VERSCHWÖRUNG
Diese habe selbst «mehrmals gegen Hygienemassnahmen» verstossen. Zudem habe sie «undercover» gearbeitet und versucht, «Spitzel» anzuheuern. Sogar ins Chefbüro habe sie «eindringen» wollen. Und all dies auf Drängen der Unia, der es um «eine politische Abrechnung» gehe. Unia-Sekretär Lukas Auer, der den Fall aufgerollt und der Gesundheitsdirektion gemeldet hat, kann nur den Kopf schütteln: «Wir haben es weder auf Politkarrieren noch auf Firmen abgesehen. Wenn aber Mitarbeitende jahrelang auf taube Ohren stossen und wenn trotz Lebensmittelkontrollen derartige Missstände andauern, dann müssen wir informieren.» Einziges Ziel sei die Verbesserung der Hygiene und der Arbeitsbedingungen. Und Auer versichert: «Wir sind jederzeit bereit, mit dem Chef und allen Voland-Mitarbeitenden zusammenzusitzen, um die Probleme gemeinsam zu lösen.» Schweizer liess eine work-Anfrage zu diesem Angebot unbeantwortet. Auch sonst beantwortet er keine Fragen. Gemeldet haben sich dafür über zehn neue Insider.
«Einmal war ich nach der Arbeit so übermüdet, dass ich mit dem Velo in eine Baugrube führ.»
12-STUNDEN-TAGE «NORMAL»
Einer von ihnen ist Bäcker Peter Steiner * (46). Er hatte bei Voland eine leitende Position inne und kennt das Hygieneproblem genau: «Auch ich habe hinter dem Rücken des Chefs abgelaufene Ware entsorgt. Und gegen Maden, Mehlwürmer und Kakerlaken führten wir einen Dauerkampf. Zu meiner Zeit hatten wir’s aber noch im Griff.» Inakzeptabel seien jedoch die Arbeitszeiten gewesen: «10 bis 12 Stunden am Tag waren normal.» Auch die ehemalige Lernende Sarah Wyss* sagt, regelmässig über 10 Stunden gearbeitet zu haben. «Da fehlt dir am Ende des Tages schlicht die Kraft, noch gründlich zu putzen.» Eine weitere Folge davon sei die hohe Mitarbeiterfluktuation: «Besonders die Qualifizierten suchten schnell wieder das Weite.» Noch weiter geht Maria Freuler *, die bei Voland als Köchin arbeitete: «Am Produktionsstandort in Steg gab es so viele Wechsel, dass man eine Drehtür einbauen müsste.» Wie Steiner will auch Freuler ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen. Denn: «Schweizer hat in der Region mächtige Freunde.» Und sie wolle keinen Ärger mit ihm. Schon einmal habe er sie forsch zusammengestaucht, bloss weil sie gründlich putzen wollte. «Ob ich nichts Besseres zu tun hätte, hat er gefragt!» Überhaupt habe ständig eine «Kommunikation im Feldweibelton» geherrscht, dazu «enormer Stress». Eines Tages habe es sie deshalb «voll zusammengelegt». Ihr Arzt attestierte eine berufsbedingte Erschöpfungskrankheit.
GEMOBBT UND EINGESCHÜCHTERT
Die Gesundheit litt auch bei Evelin Meierhofer (36). Sie begann bei Voland eine Zweitlehre als Konditorin-Confiseurin, konnte diese aber nie abschliessen. Denn der damals neu eingestellte Lehrlingsbetreuer habe noch ganze neun weitere Lernende unterstützen müssen. Er habe sich grosse Mühe gegeben, sei aber letztlich an den widrigen Arbeitsbedingungen verzweifelt. Und als er kündigte, wusste Meierhofer: «Hier werde ich die Abschlussprüfung nie bestehen.» Alleingelassen kontaktierte sie das Berufsbildungsamt – ohne Erfolg: «Alle haben weggeschaut, niemand glaubte mir – und jetzt steht es plötzlich in der Zeitung.» Das habe sie derart aufgewühlt, dass sie ärztliche Hilfe in Anspruch habe nehmen müssen.
Eine Ärztin brauchte zuletzt auch Susana Zakova (37). Die gelernte Konditorei-Fachverkäuferin sagt: «Dass Schweizer jetzt auf eine einzelne Mitarbeiterin losgeht, macht mich richtig ranzig! Als Voland-Ehemalige kenne ich den Laden. Die Arbeitsbedingungen waren sehr schlimm. Ich wurde von einer Vorgesetzten so gemobbt, dass alle Mitleid bekamen. Aus Angst hat niemand etwas gesagt. An Sonntagen musste ich den Laden alleine schmeissen, in einer 12-Stunden-Schicht. Irgendwann war ich so übermüdet, dass ich auf dem Nachhauseweg mit dem Velo in eine Baugrube fuhr.» Zakova hat seither keine Voland-Filiale mehr betreten.
MITARBEITER MUSS WAHLKAMPF MACHEN
Auch Nicki Wehrli (44) meidet seinen einstigen Arbeitsort. Der Gastro-Kaufmann hat bei Voland in der Administration gearbeitet und viele Filialen von innen gesehen. Zur Hygiene sagt er: «Ich fragte mich immer, wie wir am Lebensmittelinspektor vorbeikommen konnten.» Den «Nuggi rausgehauen» habe es ihm aber im Wahlkampf 2019. «Ich musste Werbebriefe für die SVP verfassen und massenhaft Parteipropaganda verschicken. Sogar Überstunden musste ich dafür machen!» Wehrli kündigte. Und Schweizer verpasste den Nationalratssitz. Jetzt steigt der Bäckermeister erneut ins Rennen. Ex-Angestellte Freuler drückt ihm schon mal die Daumen: «Dann wäre er in Bundesbern, und die Belegschaft hätte Ruhe!»
*Namen geändert
Diese Anschuldigungen kann ich total nachvollziehen, auch ich arbeitete in der administration. es war der absolute horror. einarbeitung fehlanzeige, da bereits zwei mitarbeiter fehlten, infrastruktur mangelhaft und auch hier fehlerquellen ohne ende, die mitarbeiter, die bereits schon länger dort waren sind total eingeschüchtert und „krampften“ wie tiere.
das miteinander war so angespannt, dass man die überlastung und die überforderung wahrlich riechen konnte. ausserdem musste sa/so auch gearbeitet werden, ausserdem bekam man die sonntagszulage nicht ausbezahlt, da der einsatz nicht länger als 1-11/2 std. dauern durfte.
mir wurde in der letzten woche der probezeit gekündigt, da ich eine magen darm infektion hatte, die über eine woche ging.
ich wurde nicht einmal gefragt, was für ein leiden diese krankschreibung zum anlass gab, in der gleichen minute in der ich die krankmeldung machte, war ich auch schon gekündigt. daraufhin hatte ich natürlich auch einen grossen finanziellen schaden davon getragen.
auch die hygiene war mangelhaft und eine katastrophe.