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Bäckerin Kathrin Schenk: Hohe Zeit fürs Backen im Advent

Ralph Hug

Die Welt von Kathrin Schenk duftet herrlich: Brote, Kuchen, Guetsli, Schoggi. Dahinter steckt viel ­Arbeit, gerade in der Weihnachtszeit.

FÜR LECKERMÄULER: Bäckerin Kathrin Schenk sorgt jeden Tag dafür, dass der Teig stimmt. (Foto: Stephan Boesch)

Die Backstube ist eng, sie fühlt sich an wie ein Bienenhaus. Es ist ziemlich warm, alles in Bewegung, von oben schallt Musik vom Lokalradio. Hochbetrieb um 10 Uhr morgens. work trifft Bäckerin Kathrin Schenk (27) zum Interview. Für sie ist jetzt also Feierabend? «Nein», sagt sie. Ihre Arbeit begann erst vor zwei Stunden, um acht Uhr. Wie im Büro. Sie gehört zum Tagesschicht-Team der Bäckerei Gschwend in St. Gallen. Und ist ganz froh, ohne Frühaufstehen auszukommen. Das gibt’s sonst selten in diesem Beruf. Möglicherweise wird ihm Kathrin Schenk deshalb länger treu bleiben als manche ihrer Kolleginnen. Viele steigen nämlich wegen der Schichtarbeit irgendwann aus. «Ich kenne kaum eine Bäckerin über 40», bestätigt sie. Auch bei Gschwend sind vorwiegend junge Leute am Werk.

GRITTIBÄNZ. Auf dem Tisch liegt ein meterlanger Blätterteig. Eine Füllung kommt drauf, dann heisst es rollen und schneiden. Plötzlich ist klar: Da entstehen Speckmocken, ein Süssgebäck aus Blätterteig mit Nussfüllung. Backen ist ein altehrwürdiges Handwerk. Geschick, Technik und Erfahrung sind gefragt – und oft auch Teamwork. Anfang Dezember vor dem Chlaustag war es so. Innert kurzer Frist mussten Hunderte von Grittibänzen raus. «Da waren wir alle zusammen dran», erzählt Kathrin Schenk, insgesamt 18 Bäckerinnen und Bäcker. Und dann noch die Weihnachtsguetsli. Diese werden bereits ab Mitte November produziert, denn die Kundschaft will das ganze Sortiment schön verpackt am ersten Advent im Laden haben. Der Blätterteig ist übrigens ­Kathrin Schenks Liebling. Wegen seiner Vielseitigkeit: «Er eignet sich sowohl für Süsses wie für Salziges.» Nussgipfel, Schinkengipfeli oder auch Wienerli im Teig.

Immer bei Schichtbeginn hängt ein Produktionsplan aus. Die Gschwend-Mitarbeitenden wissen genau, was in welcher Reihenfolge und in welchen Mengen bis wann herzustellen ist. Die Brote, Gipfeli, Sandwiches, Guetsli, Wähen (sie heissen in der Ostschweiz Fladen), Kuchen und Torten sowie die Pâtisserie kommen in die fünf Verkaufsgeschäfte, aber auch in Hotels und Betriebe. Kathrin Schenk weiss auch nicht genau, wo all die feinen Sachen hingehen, die sie und ihre Kolleginnen Tag für Tag produzieren. Was bleibt bei so viel durchorganisiertem Betrieb noch an Kreativem übrig? «Vieles ist vorbestimmt und festgelegt, von den Rezepturen bis hin zu den Spezialitäten», sagt sie. Besonders die Klosterbiber und die üppigen Kirsch-Amaretti aus dem Hause Gschwend sind bekannt. Beide werden das ganze Jahr über verkauft und sind in St. Gallen ein beliebtes Mitbringsel bei Besuchen im Freundeskreis.

BRUNSLI, ­SPITZBUBEN & Co.: Bäckerin Kathrin Schenk stellt all die klassischen Weihnachtsleckereien her – und noch viel mehr.

BUUREBROT. Bei den Broten gibt es so etwas wie Moden und Konjunkturen. Das Chia-Brot mit den populären Samen war vor wenigen Jahren noch unbekannt und ist heute beliebt. Dinkelbrot wird mehr verlangt als einst. Und das Wurzelbrot, eine Abwandlung des patentierten Pain Paillasse, existierte früher nicht. Heute ist es überall zu haben, so auch bei Gschwend. Daher ist für Kathrin Schenk der Spielraum für die Entwicklung gänzlich neuer Brote eher gering: «Das Sortiment ist doch schon so gross!» Parapan, Dinkel, Treber, Roggenschrot, Buurebrot – das alles kommt jeden Tag aus den Gschwend-Öfen.

Und das mit grosser Konstanz. Selbst in Coronazeiten gab es kaum grössere Probleme beim Nachschub, auch nicht beim Mehl, das alle zehn Tage aufgefüllt werden muss. Ab und zu kann es aber schon mal knapp werden, etwa wenn sich der Haselnusslieferant verspätet. Wirklich gelitten hat bei Gschwend in der Pandemie nur der Partyservice: «Es gab ja in letzter Zeit kaum mehr Apéros», sagt Schenk.

Dann geht es weiter im Takt. Nach den Speckmocken kommt ein neues Blech voller Wurzelbrote in den Ofen. Bald werden diese frisch und duftend im Regal stehen. Und auf Kathrin Schenk wartet schon das nächste Blech mit Spitzbuben, aber diesmal in Sternform. Es ist ja schliesslich Advent.


Kathrin SchenkNiemals ausgelernt

«Seit der fünften Klasse wollte ich Bäckerin werden», erinnert sich Kathrin Schenk (27). Und warum? Eine Bekannte ihrer Eltern wartete beim Besuch stets mit feinen selbstgemachten Torten auf. Da war es um die kleine Kathrin geschehen. Die Bäckerinnen/Konditorinnen-Lehre absolvierte sie in der Bäckerei Gschwend, einem tradi­tionsreichen Betrieb mitten in St. Gallen. Dort befindet sich in einem Altstadthaus die Backstube, in der sie das Handwerk als Bäckerin/Konditorin erlernte. Noch heute arbeitet sie dort.

SCHICHTARBEIT. Zwar hat Kathrin Schenk auch andere Betriebe kennengelernt. Doch schliesslich zog es sie wieder an den alten Ort zurück. Jetzt arbeitet sie Tagesschicht. Eher ungewöhnlich, denn zum Bäckerei-Job gehört Nachtarbeit einfach dazu. Das sei nicht jedermanns Sache, sagt sie. Die sozialen Kontakte und die Beziehungen litten darunter. So darf sich Kathrin Schenk zu den privilegierten Berufsfrauen zählen. Hin und wieder steht aber auch sie am Wochenende in der Backstube, was für Bäcker sonst ganz normal ist.

In Sachen Lohn lässt sie sich nur so viel entlocken: «Wenn man aus der Lehre kommt, hat man etwa 4100 Franken netto im Monat.»

HOCHZEIT. Im Frühling möchte Kathrin Schenk heiraten. Doch wegen der Corona-Pandemie ist alles noch unsicher. Es macht ihr aber nichts aus, wenn sie das Fest ein paar Monate verschieben muss. Wie lange wird sie noch im Beruf arbeiten? Darüber macht sie sich jetzt keine Gedanken: «Das ist offen.» Eines ihrer grossen Hobbies ist Fitness. Dafür hat sie auch schon eine Ausbildung als Instruktorin absolviert. Neben dem Sport bastelt und näht sie gerne. Aber auch Backen ist nach Feierabend ein Thema. Dabei holt sie sich die Inspirationen auch im Internet, wie sie verrät. Das Netz ist ja voller Rezepte aus aller Welt. Merke: Auch Profi-Bäckerinnen haben nie ausgelernt.

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