Vorarbeiterin Alischa Fähndrich stürmt eine Männerbastion
Traumberuf: Diese Frau brennt für den Bau

Nur wenige Frauen machen die Maurerlehre, noch ­weniger ­werden Vorarbeiterin oder ­Polierin. Das hat viel mit ­Sexismus und Vorurteilen zu tun. Eine, die es trotzdem ­anpackt, ist Unia-Mitglied ­Alischa Fähndrich.

BAUARBEITERIN ALISCHA FÄHNDRICH: «Du hast die gleiche Ausbildung, hast die gleiche Arbeit und den gleichen Lohn wie ein Mann. Ich will keine Vorzugsbehandlung.» (Foto: Michael Schoch)

Seit zehn Jahren arbeitet Alischa Fähndrich (25) im Bauhauptgewerbe, und noch immer ist sie Feuer und Flamme für ihren Beruf. «Auch wenn ich wüsste, was ich alles erleben werde in diesen Jahren – ich würde die Lehre wieder machen. Weil es für mich nichts Schöneres gibt als diesen Beruf.» Die Liebe zum Bau wurde ihr schon in die Wiege gelegt. Bereits als kleines Kind, so erzählt sie, habe sie sich für Baustellen begeistert, die sie mit ihrem Vater, selbst Polier, besuchte. «Bei uns zu Hause hiess es immer: Wenn du ein neues T-Shirt oder Geld für die Chilbi willst, dann musst du dafür arbeiten. So habe ich meinem Vater auf dem Bau geholfen, das hat mich immer fasziniert.»

Und schon im Kindergarten habe sie gesagt, sie wolle Polierin werden. In der Schule hätten die Lehrpersonen gesagt: «Wenn du schlechte Noten hast, musst du auf den Bau arbeiten gehen», ärgert sich Fähndrich noch heute. Als sie aber in der Gewerbeschule gehört habe, was sie in den drei Lehrjahren alles lernen müsse, habe sie sich nur noch gewundert.

Denn auf dem Bau musst du verdammt viel wissen! Nicht nur, was unsere ­Arbeit betrifft, wir müssen auch die Pläne der Stromer, der Sanitäre und vieler anderer Gewerke verstehen.

Die junge Frau liess sich nicht abschrecken. Nach einem einjährigen Praktikum absolvierte sie bei der Firma Ineichen in Zug die Maurerlehre. «Ich wählte diese Firma, weil sie bereits eine Stiftin hatten», erzählt sie. Das habe den Einstieg in die männerdominierte Branche erleichtert. Bald schon bildete sie sich zur Vorarbeiterin weiter, jetzt steht die Ausbildung zur Polierin an. «Sich durchzusetzen ist wichtig, gerade als Frau auf dem Bau», sagt sie.

Was aber reizt sie am Bau? Es seien viele Dinge: die Arbeit im Freien, die Abwechslung, die Materialien, die Kräne. Derzeit arbeite sie auf einer Grossbaustelle in Pratteln mit sieben Kränen, das sei super, schwärmt sie. «Es ist faszinierend, wie dank unserer Arbeit aus praktisch nichts etwas Handfestes entsteht.» Hinzu kommen die spezielle Atmosphäre, die verschiedenen Menschen und Kulturen, der Umgang miteinander. «Klar, wir haben auch Stress, und manchmal wirst du laut. Aber das dauert fünf Minuten, dann ist die Sache gegessen, man reitet nicht ewig darauf herum.» Gerade für eine Frau sei es physisch und psychisch manchmal schon schwierig. «Es gibt einige Frauen, welche die Lehre machen», sagt sie. «Aber das Harte kommt danach, das war auch bei mir so.» Der Schutz, den man als Lehrling geniesse, sei dann weg. Auch sie sei manchmal weinend nach Hause gekommen und nahe daran gewesen, den Bettel hinzuschmeissen.

Jetzt, als Vorarbeiterin, ist es körperlich zwar immer noch streng, aber etwas weniger. Jetzt gibt’s andere Herausforderungen.

Stolz auf den Beruf

Dass sie in einer Männerdomäne arbeite, störe sie nicht, sie kenne es nun mal nicht anders. «Klar: Du wirst immer beobachtet, und als Frau musst du dich mehr beweisen als Männer. Manchmal kommen auch Fragen wie: War­um arbeitest du nicht auf dem Büro? Ich frage dann zurück: Warum du nicht?» Sie sei gerne Frau, und gewisse Dinge sehe sie anders und mache sie anders. «Aber von morgens um sieben bis abends um fünf bist du Maurer. Du hast die gleiche Ausbildung, hast die gleiche Arbeit und den gleichen Lohn wie ein Mann. Ich will keine Vorzugsbehandlung», und darauf ist sie stolz. «Wenn mir einer beim Aufheben oder Tragen helfen will, dann lehne ich meistens ab. Man wird oft unterschätzt, das nervt.» Auch Probleme mit der Anmache kennt sie. Schon mit 16 habe sie einmal ein Arbeiter betatscht. Nach der Lehre hat sie es erneut zweimal erlebt. Auch hier profitiere sie jetzt von ihrer Position als Vorarbeiterin, sie werde anders wahrgenommen. Zudem unterstütze sie der Polier, mit dem sie zusammenarbeitet:

Ich habe eine eigene Toilette und einen eigenen Ort, um mich umzuziehen. Aber ich habe auch kein Problem damit, mal auf ein Toitoi zu gehen.

Jetzt freut sich Alischa auf die Ausbildung zur Polierin. «Mein Lebensziel war es schon immer, ein besserer Polier zu sein als mein Vater», sagt sie und lacht. «Er war ein guter Polier, ich bewunderte sein Wissen und wie er mit den Leuten umgegangen ist. Aber ich weiss, ich werde nie sein Wissen haben, denn er machte noch die alte Schule durch. Wenn du heute etwas nicht weisst, nimmst du das Handy und gehst auf die Doka-App. Früher musstest du das alles im Kopf haben.»

*Pepo Hofstetter ist Redaktor beim Unia-Magazin «Der Polier», wo dieses Portrait zuerst erschienen ist.

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