GLP-Präsident wollte US-Konzerne beglücken
Ein Sieg gegen die Ausbeuter: Nationalrat stoppt Uber-Grossen

Das Parlament hält – wenn auch relativ knapp – an der bewährten Unterscheidung zwischen Lohnabhängigen und Selbständigen fest. Er versenkte einen Vorstoss von GLP-Präsident Jürg Grossen, der im Interesse von Uber & Co. Scheinselbständigkeit legalisieren wollte.

FÜR DIE KONZERNE, GEGEN DIE BÜEZER: GLP-Präsident Jürg Grossen ist mit seinem Vorstoss gescheitert. (Foto: Keystone)

Das Geschäftsmodell von Plattformunternehmen wie Uber besteht darin, systematisch Arbeitsrecht und die Sozialversicherungspflicht zu umgehen, um ihre Gewinne zu maximieren. Weltweit. Das haben zahlreiche Gerichte festgestellt. Auch in der Schweiz. Und das ärgert Uber & Co. Einen Teil ihrer Profite steckt der US-Konzern deshalb in die «Pflege der politischen Landschaft». Denn was ist für Uber am Ende noch besser, als sich um geltendes Recht zu foutieren? Richtig, das geltende Recht gleich selbst nach dem eigenen Gusto zu schreiben. Geld ist ja genügend da.

Schlappe in der EU

In der EU erlitten Uber & Co. im vergangenen Jahr trotz allen Millionen eine empfindliche Niederlage. Nach über 800tägigem Kampf der Gewerkschaften verabschiedeten die EU-Gremien die «Plattform-Richtlinie». Sie schützt die rund 40 Millionen Menschen, die in den EU-Ländern für digitale Plattformen arbeiten, besser vor Ausbeutung. Konkret: Plattformunternehmen gelten grundsätzlich automatisch als Arbeitgeberinnen. Das bedeutet für Plattformarbeitende: Sie erhalten endlich Mindestlöhne, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und stehen unter dem Schutz des Arbeitsrechts. Juristisch ausgedrückt heisst das «Beschäftigungsvermutung».

Freunde in der Schweiz

In der Schweiz dagegen fanden Uber & Co. in GLP-Parteipräsident Jürg Grossen – warum auch immer – einen willigen Helfer. Grossen reichte einen Vorstoss ein mit dem wohlklingenden Titel «Selbständigkeit ermöglichen, Parteiwillen berücksichtigen». Und er fand in der bürgerlichen Mehrheit der zuständigen Nationalratskommission eine Mehrheit. Grossen und Uber wollten darin das präzise Gegenteil der «Beschäftigungsvermutung». Grossen forderte, dass Scheinselbständige als Selbständige betrachtet werden können, wenn sie dies «wünschen». Ein perfider Trick: Solche Vereinbarungen werden kaum auf Augenhöhe abgeschlossen, auf Seiten der Arbeitnehmenden besteht eine klare Abhängigkeit. Oder wie es der Berner SP-Nationalrat und Konsumentenschützer Ueli Schmezer gestern in der Debatte formulierte:

Parteiwille bedeutet einfach auch, dass die schwächere Partei dann unter die Räder kommt oder kommen kann, sage ich mal vorsichtig, wenn dieser gemeinsame Wille ausgedrückt wird.

KLARE HALTUNG: SP-Nationalrat Ueli Schmezer. (Foto: Keystone)

Dramatische Konsequenzen

Die Konsequenzen der «Lex Uber» wären verheerend gewesen. Wenn der Arbeitgeber behauptet, seine Angestellten arbeiteten als Selbständige, wäre er alle Arbeitgeberpflichten los. Also etwa AHV-Beiträge, Lohnzahlung bei Krankheit und Unfall, bezahlte Ferien, Gesundheitsschutz usw. Betroffen wären nicht nur Uber-Fahrer, sondern beispielsweise auch Coiffeusen oder Maler, die plötzlich nur noch im «Auftragsverhältnis» arbeiten müssten. Unia-Vizepräsidentin Véronique Polito brachte es damals so auf den Punkt: 

Der Vorstoss von Jürg Grossen will das illegale Geschäftsmodell von Uber legalisieren und gleichzeitig die Bekämpfung von Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit in vielen Branchen praktisch verunmöglichen. Die Unia wird dieses Vorhaben energisch bekämpfen!

KÄMPFT GEGEN DAS ILLEGALE GESCHÄFTSMODELL VON UBER: Unia-Vizepräsidentin Véronique Polito. (Foto: Unia)

Arbeitgeber erwachen

Der Widerstand gegen diesen Frontalangriff auf die soziale Sicherheit war breit. Der SGB hatte sich von Anfang an vehement gegen die Vorlage gestellt – in einer breiten Allianz mit weiteren Gewerkschaften, Arbeitgeberbänden, Kantonen, Vollzugsorganen und dem Bundesrat. Denn auch vernünftige Arbeitgeber oder auch nur solche, die rechnen, sehen: Sogenannte Plattformunternehmen setzen seit Jahren auf systematische Schwarzarbeit, indem sie ihre Beschäftigten als Scheinselbständige arbeiten lassen. Das bedeutet, dass die Arbeitenden weder bei den Sozialversicherungen angemeldet sind, noch über eine Unfallversicherung verfügen oder branchenübliche Löhne erhalten. Das bedrängt auch Firmen, die sich an die Regeln halten (müssen). Nicht nur in der Taxi- und Logistikbranche.

Bewährt…

Das brachte auch bürgerliche und rechte Parlamentarierinnen und Parlamentarier zur Vernunft. Mit 93 zu 88 Stimmen bei 10 Enthaltungen lehnten sie es ab, überhaupt auf das Geschäft einzutreten. SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer sagt:

Mit der Ablehnung dieser Initiative hat der Nationalrat ein wichtiges Zeichen für den Schutz der Arbeitnehmenden gesetzt.

SIEHT DAS NEIN ALS WICHTIGES ZEICHEN: SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer. (Foto: Keystone)

Mit dem vernünftigen Entscheid des Nationalrates ist dieser Angriff auf die soziale Absicherung der Arbeitnehmenden abgewehrt, und das bisherige Regelwerk gilt weiter. Das heutige System funktioniert in der Praxis ziemlich gut. Es schützt Arbeitnehmende, indem es auf objektive Kriterien wie Weisungsgebundenheit, wirtschaftliche Abhängigkeit und Eingliederung in eine Arbeitsorganisation abstellt – statt auf formale Vertragsbezeichnungen. Kurz: Die bestehende Praxis zur Unterscheidung von selbständiger und unselbständiger Erwerbsarbeit bewährt sich – wenn sie durchgesetzt wird. Denn hier liegt noch einiges im Argen. Der Syndicom-Gewerkschafter und Luzerner SP-Nationalrat David Roth sagt dazu:

Statt die Rechte von Arbeitnehmenden im Zuge der Plattformarbeit zu schwächen, müssen die Kantonsbehörden endlich die bestehenden Gesetze durchsetzen, um Scheinselbständigkeit zu verhindern.

APPELL AN DIE KANTONE: SP-Nationalrat David Roth. (Foto: Keystone)

…aber nicht ausreichend

Tatsächlich ist die Versenkung des Uber-Grossen-Vorstosses ein wichtiger Etappensieg für die Lohnabhängigen. Aber eben nur ein Etappensieg. Denn besonders in der Plattformökonomie und im Dienstleistungsbereich nimmt die Scheinselbständigkeit weiter zu. Und auch bei den extrem arbeitsteiligen Subunternehmerketten etwa im Baugewerbe ebenso.

Die Gewerkschaften kämpfen deshalb für eine gezielte Weiterentwicklung der aktuellen rechtlichen Situation. Für den besseren Schutz der Arbeitnehmenden fordern sie insbesondere:

  • Wer lohnabhängig arbeitet, soll nicht beweisen müssen, dass ein Arbeitsverhältnis besteht – vielmehr soll das Unternehmen die angebliche Selbständigkeit nachweisen müssen.
  • Gewerkschaften sollten in der Lage sein, für ganze Gruppen verbindlich klären zu lassen, ob es sich um Arbeitsverhältnisse handelt. Damit müssten nicht mehr Arbeitnehmende einzeln schwierige und langwierige Prozesse gegen internationale Konzerne führen.
  • Grosse Auftraggeber müssen Verantwortung für die Einhaltung von Sozial- und Arbeitsrechten entlang der ganzen Subunternehmerkette übernehmen, so wie es das Entsenderecht teilweise bereits vorsieht.

1 Kommentare

  1. von Allmen martin 5. Juni 2025 um 8:09 Uhr

    Es ist bedenklich was sich da Herr Grossen leistet. Ich hatte schon mal bezüglich Lohndumping mit Ihm per E-Mail Kontakt und musste feststellen, dass er von der realen Arbeitswelt ausser seinem Bereich keine Ahnung hat. Er meinte bloss, aufgrund Personalmangel, erhielten Arbeitnehmende sehr gute Entlöhnungen. Aber ja, vielleicht macht er diese miese Spiel auch mit Absicht.

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