Ein Tag ohne Frauen: Neuer Dok-Film über den Isländer Frauenstreik
Die Frauen legten Island still

In Island legten die Frauen 1975 mit einem kollektiven ­«freien Tag» das Land lahm – und ­schrieben damit Geschichte.

EINE FÜR ALLE, ALLE FÜR EINE: Am 24. Oktober 1975 legten 90 Prozent der isländischen
Frauen ihre Arbeit nieder und veränderten mit dem historischen Streiktag ihr Land. (Foto: PD)

Island gilt heute als eines der gleichberechtigtsten Länder der Welt. Doch der Weg dahin war lang. Die Doku «Ein Tag ohne Frauen» zeigt Island in den 1970er Jahren. Einer Zeit, in der Frauen hart arbeiteten – und wenig zu sagen hatten.

Glückliche Zeiten für Männer

Im Film spricht Sigrún Hermannsdóttir über einen Arbeitsalltag, in dem Frauen Banken am Laufen hielten, während in den oberen Stockwerken Männer das Sagen hatten. Die Frauen erklärten neuen Kollegen das Geschäft – und sahen zu, wie diese zu ihren Chefs wurden. Ihr Lohn? Der wurde oft damit abgetan, dass er nur für «Make-up und Kleidung» gedacht sei – denn das eigentliche Einkommen bringe ja der Mann nach Hause.

Auch auf dem Land war Gleichberechtigung kein Thema. In Bauernfamilien hatten Frauen wenig Mitspracherecht – und vom Bauernverband waren sie grösstenteils ausgeschlossen. Nur Witwen waren zugelassen. Eine sechsfache Mutter soll einmal gesagt haben:

Ich wäre lieber sechs Monate im Gefängnis mit einem guten Buch – einfach nur, um zu lesen.

So belastend war unbezahlte Haus- und Care-Arbeit.

Eine Bewegung nimmt Fahrt auf

Inspiriert von feministischen Bewegungen in Ländern wie den USA, Schweden oder den Niederlanden, begannen die Isländerinnen sich zu organisieren. Am 1. Mai 1970 rief die Radiomoderatorin Vilborg Dagbjartsdóttir zur Versammlung auf:

Frauen in roten Strümpfen – wir treffen uns morgen früh auf dem Platz.

Der Aufruf stiess auf offene Ohren. Schilder mit Slogans wie «Gleiche Rechte!» oder «Frauen wacht auf!» prägten das Bild. Die Frauen, die sich nun zur sogenannten Rotstrumpfbewegung zählten, verzichteten an diesem Tag bewusst auf das äussere Erscheinungsbild, das von ihnen erwartet wurde – kein Make-up, keine konservative Kleidung. Sie diskutierten öffentlich über Themen wie Sexualität, Menstruation und Abtreibung – Tabus in der Gesellschaft. Nicht alle Frauen standen hinter den Rotstrümpfen. Doch die Bewegung machte klar: Es geht nicht darum, wie eine Frau lebt, sondern darum, dass sie eine Wahl hat.

Ein freier Tag

1975 riefen die Vereinten Nationen das Internationale Jahr der Frau aus. In Island fand ein grosser Frauenkongress statt. Rund 300 Vertreterinnen unterschiedlichster Gruppen kamen zusammen: von Gewerkschafterinnen über Mitglieder feministischer Bewegungen bis hin zu Frauen aus verschiedenen Organisationen. Gemeinsam schmiedeten sie einen Plan: Am 24. Oktober sollten alle Frauen die Arbeit niederlegen – zu Hause und im Beruf. Doch das Wort «Streik» war manchen zu radikal. Deshalb schlug eine ältere Frau vor:

Ihr mögt das Wort Streik nicht? Dann nennen wir es einen freien Tag.

Die Gewerkschaften hielten überall Versammlungen ab. Wie Prediger verbreiteten sie die Botschaft des «freien Tages». Und die Männer? Viele nahmen es nicht ernst – oder setzten ihre Frauen unter Druck, denn sie wussten genau: Ohne Frauen läuft nichts.

Rien ne va plus

Und tatsächlich: Am 24. Oktober 1975 ging nichts mehr. Flugzeuge blieben am Boden, Schulen waren geschlossen, Läden verriegelten ihre Türen. Die Frauen legten Island still. 90 Prozent der isländischen Frauen beteiligten sich am Protest. In Reykjavík füllten sie die Strassen. Überall wehten Fahnen mit feministischen Symbolen, Frauen hielten Plakate in die Höhe. Guðrún Erlendsdóttir erinnert sich:

Ich brachte meine einjährige Tochter zur Arbeit meines Mannes. Der Chef war wütend – aber ich wusste: Das ist auch seine Tochter. Und ich gehe jetzt die Welt verändern.

Der «Tag ohne Frauen» zeigte Wirkung. Schon 1977 durften Frauen im Bauernverband dabei sein – zum ersten Mal seit 140 Jahren. Und 1980 wurde Vigdís Finnbogadóttir zur ersten demokratisch gewählten Staatspräsidentin der Welt. Sie blieb 16 Jahre lang im Amt – ein Meilenstein.

Gemeinsam stark

«Ein Tag ohne Frauen» von Pamela Hogan und Hrafnhildur Gunnarsdóttir erzählt von Zusammenhalt, Solidarität und Mut. Mit historischen Bildern, Interviews, fein animierten Szenen und beeindruckenden Naturaufnahmen lässt der Film die Atmosphäre der 1970er Jahre lebendig werden.

Ein Tag ohne Frauen läuft in ausgewählten Kinos in der Schweiz. Unter anderem in Bern im Kino Rex, in Zürich im Houdini, in Basel im Kult.Kino Atelier, in Luzern im Bourbaki und in Dübendorf im Kino Orion.

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