1x1 der Wirtschaft
Minimalfranchise erhöhen: Eine Idee für die Notfallstation

Vor kurzem hat das bürgerlich dominierte Parlament entschieden, dass die Minimalfranchise der Grund­versicherung (heute 300 Franken) ­künftig kräftig steigen soll. Der Bundesrat muss nun eine Vorlage aus­arbeiten. Die verquere Logik der Parlamentsmehrheit: Je mehr man für Gesundheitsdienstleistungen selbst bezahlen muss, desto öfter verzichtet man darauf und desto mehr sinken die Gesundheitskosten.

Ein Teufelskreis

Nun, wenn dem so wäre, dann müsste die Schweiz ­bereits heute eines der günstigsten Gesundheitssysteme Europas haben. Denn nirgendwo sonst bezahlen die Patientinnen und Patienten mehr aus der eigenen Tasche als bei uns (siehe Grafik). Dabei handelt es sich um Franchisen und Selbstbehalte, aber nicht nur: auch Zahnarztkosten, viele Medikamente und Pflegekosten müssen selbst bezahlt werden. Und obendrauf kommen erst noch die Prämien, die fast überall einkommensabhängig erhoben werden, ausser in der Schweiz. Gerade weil die Prämien unablässig steigen, haben in den letzten Jahren auch ­immer mehr Arbeitnehmende eine ­höhere Franchise gewählt (denn ­dadurch erhalten sie einen Prämienrabatt). Dies, obwohl viele Versicherte, gerade in körperlich strengen Berufen, dafür eigentlich nicht genug gesund sind. Werden sie dann nämlich krank, müssen sie noch viel mehr selbst bezahlen – ein Teufelskreis.

Überrissen

Nun sollen also auch noch jene bestraft werden, die aus gesundheitlichen Gründen weiterhin die tiefste Franchise gewählt haben. Und muss jemand in den Notfall, dann soll künftig sogar immer eine 50-Franken-Gebühr fällig werden – auch das will die bürgerliche Parlamentsmehrheit. Alles ganz nach dem Motto: Anstatt das Feuer zu löschen, giessen wir noch weiter Öl hinein.
Dabei wäre die Lösung simpel: ­Abzockerei zulasten der Prämien­zahlerinnen muss endlich gestoppt werden – seien es die exorbitanten Medikamentenpreise der Pharma, die zu hohen Tarife der ­Spezialärzte oder die überrissenen Löhne in den Teppichetagen der ­Kassen. Würde man nur einen Teil des dabei Ersparten für eine Aufstockung der Prä­mienverbilligungen verwenden, ginge es der Normalbevölkerung wesentlich besser. Sowohl gesundheitlich als auch finanziell.

Reto Wyss ist Ökonom beim Schweize­rischen Gewerkschaftsbund (SGB).

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