Manifest aus Politik, Kirchen und Zivilgesellschaft appelliert an Bundesrat

«Menschen schützen – auch an den Grenzen»

Clemens Studer

Die EU will flüchtende Menschen noch brutaler als bisher fernhalten. Die Schweiz ist Teil dieses Abschottungsregimes. Das Manifest «Menschen schützen – auch an den Grenzen» verlangt jetzt vom Bundesrat, dass er wenigstens auf die Einhaltung minimalster Menschenrechte pocht. Unia-Präsidentin Vania Alleva hat als eine der ersten unterschrieben.

GESTRANDET: Ein Vater mit seiner Tochter im Flüchtlingscamp von Moria auf der griechischen Insel Lesbos. (Foto: Keystone)

An den Aussengrenzen der EU (beziehungsweise des Schengenraums) sind Gewalt, Elend und Tod Alltag. Menschen auf der Flucht werden entrechtet, geprügelt und abgeschoben. Das Mittelmeer ist in den letzten Jahren aufgrund der verantwortungslosen Politik der «Festung Europa» zu einem Friedhof geworden. In den vergangenen drei Jahrzehnten sind mindestens 60’000 Männer, Frauen und Kinder an den Grenzen Europas gestorben. Dabei kommt es tagtäglich unter den Augen – teilweise sogar mit Hilfe – der EU-Grenzschutzagentur Frontex zu illegalen Rückführungsaktionen und Angriffen von rechtsextremen Milizen auf Menschen auf der Flucht. Die Schweiz profitiert als Schengen-Mitgliedstaat von diesen unmenschlichen und illegalen Praktiken. Und bezahlt jedes Jahr Dutzende von Millionen an die Frontex, die in den kommenden Jahren zu einem stehenden Heer mit 10’000 Grenzwächterinnen und -wächtern ausgebaut werden soll.

NOCH HÄRTER

Doch das reicht den EU-Verantwortlichen noch nicht. Im vergangenen Dezember haben sie – leider auch mit Zustimmung von Grünen und sozialdemokratischen Parteien – weitere Massnahmen beschlossen, um Menschen davon abzuhalten, in europäischen Ländern einen Asylantrag zu stellen. Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) will Asylverfahren spätestens auf 2026 hin an die Schengen-Aussengrenzen verlagern. Konkret:

  • Geflüchtete Menschen – auch Kinder – sollen in haftähnliche Lager gesteckt werden.
  • Wer aus Ländern mit geringen Anerkennungsquoten kommt oder über «sichere Drittstaaten» einreist, wird im Schnellverfahren abgewiesen.
  • Weil die Definition eines «sicheren Drittstaates» weiter aufgeweicht wird, wird das einen Grossteil der Geflüchteten treffen.
  • Jeder Mensch – auch Kinder –, der um Asyl bittet, soll einem Screening unterzogen werden, das heisst: unter anderem auch biometrisch erfasst werden. Auch dafür werden die Geflüchteten inhaftiert.
  • Mit einem extrem schwammigen «Krisenartikel» besteht die Möglichkeit, das Recht auf Asyl weiter einzuschränken.

«NICHT IN UNSEREM NAMEN»

Das neue GEAS hat für Schutzsuchende drastische Verschlechterungen zur Folge. Die geplanten Massnahmen verletzen die Grundprinzipien nationaler, europäischer und internationaler Rechtsabkommen, die jedem Menschen aufgrund seines Menschseins zustehen. In den EU-Ländern ist die Besorgnis von Menschenrechtsorganisationen gross. Und auch in der Schweiz – die als Schengenmitglied von der faktischen europaweiten Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl «profitiert» – wollen nicht alle dazu schweigen.

Persönlichkeiten und Organisationen aus Politik, Kirchen und Zivilgesellschaft haben das Manifest «Menschen schützen – auch an den Grenzen» lanciert. Darin schreiben sie unter anderem: «Der Abbau von Grundrechten bedroht uns alle! Wir sagen: Nicht in unserem Namen! Wir wollen eine offene Gesellschaft und sagen Nein zu Abschreckung und Abschottung! Es braucht eine angstfreie, zukunftsweisende Gestaltung der Migration.»
Das Manifest fordert den Bundesrat unter anderem dazu auf,

  • sich im Rahmen der Schweizer Schengen/Dublin-Assoziierung für die Einhaltung von Menschenrechtsstandards und die vollumfängliche Respektierung der Rechte von Asylsuchenden einzusetzen;
  • die Aushöhlung der Genfer Flüchtlingskonvention und weiterer völkerrechtlicher Verträge sowohl innen- als auch aussenpolitisch konsequent zu bekämpfen.

JETZT UNTERZEICHNEN

Das Manifest «Menschen schützen – auch an den Grenzen» wurde im Hinblick auf den Flüchtlingstag vom 16. Juni lanciert. Zu den Erstunterzeichnenden gehört auch Unia-Präsidentin Vania Alleva. Das Manifest kann online hier unterschrieben werden.

Beim Namen nennen

«Beim Namen nennen» mobilisiert rund um den Flüchtlingssonntag vom 16. Juni. In Basel, Bern, Chur, Genf, Lausanne, Luzern, Neuenburg, St. Gallen, Thun und Zürich finden auch dieses Jahr wieder öffentliche Lesungen der «List of Deaths» statt. Dabei werden die Angaben jedes verstorbenen Menschen auf ein Stück Stoff geschrieben und an einer Installation befestigt. So bauen die Teilnehmenden gemeinsam im Gedenken an die Verstorbenen öffentliche Mahnmale. Rund um die öffentlichen Lesungen gibt es weitere Gedenkaktionen und Veranstaltungen. Das genaue Programm ist auf der Seite der einzelnen Städte aufgeschaltet (über diesen Link)

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