Klimaschutz ist ein Menschenrecht: Schweiz verurteilt

Triumph für die Klimaseniorinnen

Iwan Schauwecker

Der Gerichtshof für Menschenrechte hat im Fall «Klimaseniorinnen gegen die Schweiz» ein historisches Urteil gefällt. Das Gericht in Strassburg verurteilt die Schweiz wegen mangelnden Klimaschutzes. Ein grosser Erfolg für die Klimaseniorinnen und die weltweite Klimabewegung. 

EIN SIEG FÜRS KLIMA: Der Vorstand der Klima- Seniorinnen. V.l.n.r.: Anne Mahrer, Co-Präsidentin, Pia Hollenstein, Elisabeth Stern, Jutta Steiner, Oda U. Müller, Rita Schirmer-Braun, Stefanie Brander, Norma Bargetzi-Horisberger und Rosmarie Wydler-Wälti. (Foto: Yoshiko Kusano/Lunax)

Unermüdlich wiederholte Rosmarie Wydler-Wälti (74), Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen, in den letzten acht Jahren: «Klimaschutz muss als Menschenrecht anerkannt sein.» Mit dem Urteil des Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) hat sie dieses Ziel auf höchster Ebene erreicht. Die Schweiz habe ihre Klimaziele verfehlt und die Seniorinnen nicht ausreichend vor den Folgen der Klimaerhitzung geschützt, urteilt der Gerichtshof in Strassburg. Auch die Klimaseniorin Pia Hollenstein (73) aus St. Gallen war bei der Urteilsverkündung dabei. Sie sagt zu work: «Wir haben mit unserer Klage bereits zuvor viel erreicht, aber das Urteil ist ein Meilenstein für uns Klimaseniorinnen und auch für die weltweite Klimabewegung.»

 

DER LANGE ATEM DER SENIORINNEN

459 Klimaseniorinnen reichten im Jahr 2016 eine Beschwerde beim Bundesrat ein und kritisierten die Unterlassungen der Schweiz beim Klimaschutz. Die Klimaseniorinnen warfen dem Bundesrat vor, dass er durch die zaghafte Klimapolitik die Schweizer Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention verletze. (work berichtete über die vor kurzem verstorbene Klimaseniorin Judith Giovannelli-Blocher )

Doch der Bundesrat wollte nicht auf das Gesuch der Klimaseniorinnen eintreten und auch das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht wiesen die Klage zurück. Der EGMR verurteilt die Schweiz jetzt wegen der mangelnden inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Klage (Artikel 6) und wegen der Missachtung des Rechts auf Gesundheit (Artikel 8).

Hitze, Hitze, Hitze!

Seit 1959 haben sich die Hitzetage in der Schweiz verdreifacht. Hitzewellen kommen etwa fünfmal häufiger vor als Ende des 19. Jahrhunderts. Bei einer Erwärmung von 2 Grad werden Hitzewellen in der Schweiz 14 Mal häufiger auftreten. Ein besonders grosses Risiko für Herz-Kreislauf-Versagen haben ältere Menschen und Büezerinnen und Büezer, die in der Hitze arbeiten müssen. Weltweit werden heute etwa ein Drittel der hitzebedingten Todesfälle auf den Klimawandel zurückgeführt. Seit dem Jahr 2023 existiert in der Schweiz ein Monitoring der hitzebedingten Todesfälle, das jährlich veröffentlicht wird.

 

 

SCHWEIZ MUSS BEIM KLIMASCHUTZ NACHBESSERN

Das Urteil aus Strassburg ist auch ein grosser Erfolg für Greenpeace. Die Umweltorganisation hat die Klimaseniorinnen in den letzten acht Jahren organisatorisch, finanziell und rechtlich unterstützt. Georg Klingler Heiligtag hat die Kampagne in dieser Zeit begleitet. Er sagt: «Dieses Urteil ist wegweisend und wird die Menschen und die Politik noch weit über den heutigen Tag hinaus beschäftigen.» Das Urteil werde Signalwirkung für alle weiteren Klimaklagen in Europa haben. Die Schweiz kann keine Berufung gegen das Urteil einlegen. Der Bundesrat steht jetzt in der Pflicht beim Klimaschutzgesetz nachzubessern und deutlich ambitioniertere Reduktionsziele für das Jahr 2030 vorzulegen.

 

 

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