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Agri-Solarstrom: Wandern solare Anlagen von den Voralpen ins Mittelland?

Der Solarstrom wird sich gegen Windenergie und Atomkraft ziemlich sicher durchsetzen. So oder anders. Entweder in der Schweiz oder im Ausland für die Schweiz. Und das neue Stromgesetz, über das wir am 9. Juni ­abstimmen, wird diesen Prozess befeuern.

Agri-SolarStrom: So produktiv sind Solaranlagen auf offenen Ackerflächen, dauergrünen Wiesen oder auf Dauerkulturen.

Aus gewerkschaftlicher Sicht ist es sicher sinnvoll, wenn wir den Strom, den wir verbrauchen, erstens in der Schweiz produzieren. Mit guten Arbeitsplätzen. Und dies zweitens möglichst umweltfreundlich und günstig zugleich tun. Das ist auch möglich:

Grund 1: Der Preis der Solarmodule hat sich in den letzten 18 Monaten noch einmal halbiert. Dieser Trend wird weitergehen, weil China über gigantische Überkapazitäten verfügt.

Grund 2: Der Wirkungsgrad der Solarmodule erhöht sich laufend. Wir sollten 2030 fast 30 Prozent Wirkungsgrad erreichen. Das heisst: Auf der gleichen Dach- oder Freifläche können wir dann viel mehr Strom produzieren als heute. Das senkt die Installationskosten.

Grund 3: Die Aufständerungen für Freiflächenanlagen werden immer raffinierter und in Kombination mit den steigenden Wirkungsgraden der Solarmodule pro installierte Kilowatt-Leistung billiger.

Grund 4: Neue stationäre Salzbatterien werden den Markt fluten. Sie brauchen praktisch keine seltenen Erden und Metalle mehr. Sie sind zudem viel billiger als die heutigen Lithiumionen-Batterien. Und halten erst noch viel länger. Damit können wir den Tag-und-Nacht-Ausgleich der Solarenergie dezentral realisieren. Aufpreis: lächerliche 1 bis 2 Rappen pro Kilowattstunde.

Noch sind Fragen offen: Wird die Umwandlung von Sommerstrom in Wasserstoff billiger und energetisch effizienter? Vielleicht. Rechnen sich nächstens grosse Speicher, die den Sommerstrom als Wärme in den Winter transferieren? Vielleicht. Diese Hoffnungen sind erlaubt, aber nichts ist sicher. Bleiben wir also mit den Füssen auf dem Boden.

Neue Atomkraftwerke kosten pro produzierte Kilowattstunde mindestens 12 Rappen. Macht 20 Rappen für nicht regulierten Winterstrom und 4 Rappen für Sommer-Bandenergie.

Wir haben in der Schweiz 600 lokale Verteiler von Strom. Praktisch alle sind im Eigentum der öffentlichen Hand. Geschätzte 3000 Verwaltungsräte (Verwaltungsrätinnen gibt es nur wenige) kassieren Tantiemen und lassen sich von den grossen Stromproduzenten über den Tisch ziehen. Sie haben den Strom zu viel zu hohen Preisen eingekauft. Und von Wirtschaftsminister Guy Parmelin keine Strompreisbremse verlangt.

Wenn das neue Stromgesetz durchkommt, werden nicht innovative lokale Verteiler massiv unter Druck kommen. Und zwar von sogenannten Elektrizitätsgemeinschaften. Produzenten und Konsumentinnen von Strom können sich zusammenschliessen. Und das lokale Netz zu Sondertarifen nutzen. Um diese Graswurzelrevolution zu fördern, hat das Parlament im März den Weg für eben solche lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) geebnet. Wer also künftig zu spät kommen wird, den bestraft das Leben. Deshalb könnten und müssten die 600 Verteiler zu den Motoren des ökologischen Umbaus werden, wenn sie überleben wollen. Aber wie soll das gehen?

Baustein 1: In fast jedem Verteilgebiet gibt es halbwegs geeignete landwirtschaftliche Flächen, die wir für die Produktion von Strom (sogenannter Agri-Solarstrom) nutzen können. Dies wird mit dem neuen Stromgesetz erleichtert. Die Produktion von Strom würde dort nicht mehr als 6 Rappen pro Kilowattstunde kosten. Inklusive dezentraler Speicher.

Baustein 2: Neuere Studien belegen, dass 30 Prozent dieses Agri-Solarstroms im Winter anfallen. Wenn wir den Sommerstrom mit 4 Rappen berechnen wie bei der Atomenergie, dann kostet die Kilowattstunde Agri-Winterstrom nur 10 Rappen. Halb so viel wie der Winterstrom aus Atomkraftwerken.

Baustein 3: Wer seinen Solarstrom auf den unteren Spannungsebenen einspeist, zahlt viel weniger an die Mittel- und Hochspannungsnetze. Und kann, da als Versorgerin und Versorger ganz dem Service public verpflichtet, diesen Preisvorteil an Haushalte und Unternehmen weitergeben. Und hält sich so erst noch die Elektrizitätsgesellschaften vom Hals.


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