Die SNB braucht eine Chefin und neue Ziele – doch die Bürgerlichen haben andere Pläne

Thomas Jordan, ein Mann unter Einfluss

Oliver Fahrni

Der Zerstörer ­Thomas Jordan geht ab. ­Höchste Zeit also, den ­Mythos ­Nationalbank zu knacken und zu entscheiden, wem sie ­dienen soll.

«ZERSTÖRER»: So betitelte work Jordan, als er den Franken-Mindestkurs zum Euro kippte, was verheerende Folgen für den Arbeitsplatz Schweiz hatte. (Foto: work)

Der brave Thomas aus Biel darf gehen, mit 61 und noch vor Ende seiner Amtszeit bei der Nationalbank. Er hat seine Schuldigkeit getan. Die UBS ist endlich zur Monster-Monopolbank geworden, die sie schon immer sein wollte. Die Verwandlung der Schweiz zum «Alpen-Singapur» ist im Gang, Jordans brutal harter Franken hat Zehntausende von Industriearbeitsplätzen vernichtet oder verhindert. Und mit dem Verlust von 132,5 Milliarden Franken hat die SNB 2022 eine einsame Rekordmarke gelegt – adieu Auszahlungen an Bund und Kantone.

BÜRGERLICHE MÄRCHENSTUNDE

Alles gute Gründe für Neoliberale, Thomas Jordan als «erfolgreichsten Notenbanker der Welt» (Tamedia) zu feiern. Sie lassen keinen schlechten Faden an ihm. Eine gespenstische Märchenstunde: Jordan habe die Teuerung besiegt, jubeln sie. Egal, wenn dafür die Zahlen verbogen werden müssen. Die explodierenden Krankenkassenprämien (plus 13 Prozent 2022–2023, 2024 nochmals 8,7 Prozent) tauchen im «Warenkorb» der Teuerungsstatistiker gar nicht auf. Und die Last der Mieten, für die wir jedes Jahr mindestens 10 Milliarden zu viel bezahlen, haben Jordans Statistiker seit 2021 mirakulös gesenkt – angeblich geben wir heute weniger als einen Fünftel unseres Budgets für die Miete aus.

Jordans Methode – hohe Zinsen und Frankenschock – freut zwar die Banken, würgt aber die Volkswirtschaft ab. Das Seco musste seine Pro­gnosen Ende 2023 nach unten korri­gieren. Doch die Inflation ist Jordans Obsession. Er ist Monetarist, Anhänger der Ideologie, allein die Geldmärkte sollten die Geschicke einer Nation steuern. Der Monetarismus ist wie der ganze Neoliberalismus längst an der Wirklichkeit gescheitert. So setzen etwa Steuersenkungen oder tiefe Zinsen keine Investitionen in Gang.

Doch was ist schon die ökonomische und soziale Realität gegen die In­teressen des Kapitals? Jordan wusste, was er tat. Lange bevor er im Januar 2015 den Frankenmindestkurs von 1.20 zum Euro kippte, hatte er die verheerenden Folgen für die Arbeitsplätze in einem Papier detailliert beschrieben.

work nannte ihn damals «den Zerstörer» (der Arbeitsplätze). Das stimmte, war aber doch ein bisschen ungerecht, weil es den Mann überschätzte. Er handelte unter Einfluss.

BANK DER BANKEN

Die Bundesverfassung (Artikel 99) gibt der SNB den Auftrag, dem «Gesamt­­interesse des Landes» zu dienen, unter «Aufsicht des Bundes». Gleichzeitig wird aber ihre «Unabhängigkeit» fest­geschrieben. Das haben die Neolibe­ralen reingedrückt. Die «Unabhängigkeit» der Zentralbanken ist ihr heiliges Mantra. Damit entziehen sie die SNB dem Volkswillen. Sie wollen verhindern, dass demokratische Entscheide die SNB steuern.

Weil sie das Geld «druckt», also immer flüssig ist (auch bei 132,5 Mil­liar­den Verlust), wäre die SNB eigentlich ein mächtiges Instrument, die Zukunft der Schweiz zu finanzieren, etwa die überlebenswichtige Abkehr von fos­silen Brennstoffen. Das dürfe nie geschehen, sagen die Bürgerlichen, als verkündeten sie ein ökonomisches Naturgesetz. Das für alle gelten soll, nur nicht für die Banken.

Die UBS wurde 2008 mit SNB-Geld gerettet, 2023 machten zahllose SNB-Milliarden die marode CS zum Geschenk für die UBS. Dazwischen federte die SNB, wie alle Zentralbanken, die immer häufiger auftretenden Krisen des Kapitalismus mit einer Schwemme von Gratisgeld ab. Unter Jordan verzehnfachte sich die Bilanz der SNB zur Bil­lionenblase. Als er 2022 vom Gratisgeld zu steigenden Zinsen umschwenkte, verzinste er sofort die astronomischen Einlagen der Banken (die das Gratisgeld bei der SNB parkiert hatten, statt es zu investieren) – und schaufelte ihnen ­damit Dutzende von Milliarden Extra­profit zu.

So ist die SNB von der «Nationalbank» zur Bank der Banken verkommen, zum Kassenschrank des Finanzkapitals. Der vermeintlich so mächtige Jordan zu ihrem Befehlsempfänger.

Diese Abhängigkeit und die neue, nie diskutierte Rolle der Notenbank sind ein akutes Problem für die Demokratie, weil sie den Parlamenten die Wirtschafts- und Sozialpolitik aus der Hand schlagen.

Nun wollen Neoliberale das noch direkter gestalten: Sie lobbyieren dafür, den abtretenden Präsidenten gleich durch einen Privatbanker zu ersetzen.


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