EU-Lieferkettengesetz gegen Menschenausbeutung und Umweltsauereien

EU nimmt Konzerne an die Kandare: Wann folgt endlich die Schweiz?

Clemens Studer

Der vorösterliche Auferstehungsreigen der EU-Richtlinien geht weiter. Jetzt steht auch das Lieferkettengesetz. Und wieder stellt sich die Frage: Was macht jetzt die Schweiz?

FRÜHERE JUSTIZMINISTERIN: Karin Keller-Sutter (FDP) kämpfte an vorderster Front gegen die Konzernverantwortungsinitiative. Was macht nun ihr Nachfolger Beat Jans? (Foto: Keystone)

Erst die Plattformarbeit-Richtlinie, jetzt das Lieferkettengesetz: In der EU auferstehen wichtige Gesetze, die schon tot schienen. Beide Male gegen den Willen der deutschen FDP, die verhinderte, dass Deutschland zustimmte. Obwohl die anderen, grösseren Parteien der Ampelkoalition dafür waren. Doch es reichte trotzdem für die nötige «qualifizierte Mehrheit» von mindestens 15 Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung repräsentieren.

Das Lieferkettengesetz soll dafür sorgen, dass europäische Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten einhalten. Firmen müssen nun künftig europaweit dokumentieren, dass von ihnen importierte Produkte aus Drittländern dort nicht zu Kinderarbeit oder Umweltschäden führen.

ABGESCHWÄCHTES …

In der jetzt verabschiedeten Form ist die Richtlinie zwar im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf deutlich aufgeweicht worden. Daran halten müssen sich erst Firmen mit 1000 und mehr Beschäftigten und einem weltweiten Jahresumsatz ab 450 Millionen Euro. Ursprünglich sollte das Gesetz für Firmen ab 500 Mitarbeitenden und mehr als 150 Millionen Euro Umsatz gelten. Und es gelten lange Übergangsfristen. Wie bei der Plattform-Richtlinie verhandelten EU-Gremien lange. Die erste Version der EU-Kommission erlitt mehrere Rückschläge und Verzögerungen. Und Nein-Entscheide (work berichtete).

… STARKES ZEICHEN

Der überraschende Durchbruch ist trotzdem ein starkes Zeichen. Zwar verpflichten schon viele europäische Länder ihre Konzerne bereits jetzt, die minimalen Arbeits-, Menschenrechts- und Umweltstandards auch im Ausland einzuhalten. Zum Teil sind sie sogar strenger als das jetzt verabschiedete EU-weite Gesetz. Doch dass die ganze EU jetzt ihre Konzerne in die Pflicht nimmt, ist ein grosser Fortschritt. Denn jetzt sind alle grossen europäischen Unternehmen künftig dafür verantwortlich, dass ihre Lieferanten weder Sklavinnen noch Kinder beschäftigen, dass sie Mindestlöhne bezahlen, die Umwelt nicht übermässig verdrecken und die Gesundheit ihrer Beschäftigten in den Minen, den Fabriken und auf den Feldern schützen. Für Schäden sind sie nach europäischem Recht haftbar und können von Gerichten in den Sitzländern zu Schadenersatz verurteilt werden.

UND DIE SCHWEIZ?

Mit dem Entscheid von dieser Woche ist definitiv klar: Die Schweiz ist das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung. Obwohl die Mehrheit der Stimmenden 2020 die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) angenommen hat, die Mehrheit der Kantone aber Nein sagte. Der zahnlose Gegenvorschlag ist seit 2022 in Kraft. Er bringt – wie von den KVI-Gegnerinnen und -Gegnern beabsichtigt – den arbeitenden Menschen und der Umwelt nichts. Dafür gibt’s mehr Hochglanzbroschüren aus den Konzern-PR-Abteilungen.

WAS MACHT JANS?

An vorderster Front gegen die KVI kämpfte die damalige Justizministerin Karin Keller-Sutter. So intensiv, dass sie später dafür sogar von der Geschäftsprüfungskommission gerügt wurde. Selbstverständlich, so Keller-Sutter damals auf allen Kanälen, sei auch die Schweiz gegen Sklavenarbeit und Umweltsauereien für und von Schweizer Konzernen im Ausland. Aber eben nur mit einem «international abgestimmten» Gesetz und «gleich langen Spiessen». Weil sonst machen andere die Geschäfte. Unterdessen ist Keller-Sutter Finanzministerin, hat mit über 250 Milliarden Franken für die CS-Rettung garantiert und will den Witwen die AHV-Rente streichen. Justizminister ist jetzt SP-Mann Beat Jans aus dem Kanton der Pharmakonzerne Basel. Hält er sich an die früheren Bundesratsversprechen? Sicher ist: Die «Koalition für Konzernverantwortung» und mit ihr die Unia bleiben dran.


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