Österreichischer Gesetzestext voller Frauen

Wenn die Männer mitgemeint sind

Anne-Sophie Zbinden

Österreichs Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, in dem nur Frauen vorkommen. Die Männer sind aber explizit mitgemeint. Das verleiht dem Gesetz über «flexible Kapitalgesellschaften» eine besondere Würze.

PIONIEREIN: Ministerin Alma Zadić. (Foto: Keystone)

Gross war der Aufschrei! Da war plötzlich nur noch von Gründerinnen, Geschäftsführerinnen oder Mitarbeiterinnen die Rede. Ein österreichischer Gesetzestext im generischen Feminin. Soll heissen: die Männer sind in der weiblichen Form mitgemeint. In Paragraf 27 steht das so: «Soweit in diesem Bundesgesetz auf natürliche Personen be­zogene Bezeichnungen nur in weiblicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf alle Geschlechter in gleicher Weise.»

Das Gesetz über flexible Kapitalgesellschaften soll Jungunternehmerinnen und Jungunternehmern Vorteile bieten und schafft eine für Start-ups gedachte neue Rechtsform – eine Art Mischung aus Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und Aktiengesellschaft (AG). Das Parlament hat das Gesetz Ende 2023 verabschiedet.

Justizministerin­ Alma Zadić (Grüne) höchstpersönlich hatte den Text in grammatikalisch rein weiblicher Form vorgelegt. Zadićs Begründung: «Da­­mit machen wir die Rolle von Gründerinnen sicht­barer. Ausserdem leisten wir mit dem Gesetz einen Beitrag zu mehr Geschlechtergerechtigkeit», sagte sie in der «Kleinen Zeitung». Die konservative Partei ÖVP, ­Koalitionspartnerin in der Regierung, hatte dem Text zunächst zugestimmt.

AUSGESCHLOSSEN. Als dann aber die vielen Frauen im Gesetz öffentlich wurden, musste sich die ÖVP doch noch empören. Sie könne keinen Beitrag zur Geschlechtergleichheit erkennen. Und die Rechtsaussen-partei FPÖ doppelte wenig überraschend nach. Sie beklagte eine «Verunstaltung der deutschen Sprache». Denn in der männlichen Form seien die Frauen mitgemeint, in der weiblichen die Männer hingegen nicht. Doch wieso sollten sich Frauen durch Firmengründer, Unternehmer oder Mitarbeiter angesprochen fühlen? Mit ­umgekehrten Vorzeichen scheint dies ja auch nicht der Fall zu sein. Oder wie «Der Standard» kommentiert: «Über die männliche Form regen sich die allermeisten Männer nicht auf. Sie kommen ja vor.» Aber kaum stehe in einem Gesetz durchgängig «Gesellschafterinnen», fühlten sie sich ausgeschlossen: «Lächerlich!»

Erstaunlich nur, dass diese Debatte im Österreich des 21. Jahrhunderts geführt wird. Wobei, wenn es nach so manchen Gesetzestexten ginge, gäbe es ohnehin nur Landeshauptmänner, Arbeitnehmer oder Bundespräsidenten. In den Schweizer Gesetzestexten sucht man Frauen übrigens auch vergeblich. Heisst das jetzt streng grammatikalisch, dass diese für Frauen nicht gelten?

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