«Anti-Chaoten-Initiative» und Gegenvorschlag in Zürich

Nein zum rechten Doppel-Angriff auf unsere Versammlungsfreiheit

Clemens Studer

Die Junge SVP will im Kanton Zürich mit einer Initiative die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränken. Die bürgerliche Mehrheit des Kantonsparlaments biedert sich bei ihnen mit einem Gegenvorschlag an. Die Gewerkschaften lehnen beide Vorlagen ab.

BESCHÄMEND: Mit einem massiven Polizeieinsatz torpedierte die Basler Regierung letztes Jahr die bewilligte und friedliche 1. Mai-Kundgebung der Gewerkschaften.

Es ist eine Spezialität der SVP: Initiativen lancieren, die, wenn sie angenommen werden, nicht umgesetzt werden können. Was dann ausdauernd und lautstark beklagt wird. Werden die Initiativen nicht angenommen, entwickelt sich die Situation aber trotzdem in SVP-Richtung, weil sich FDP, GLP und Mitte jeweils bereitwillig in den SVP-Seitenwagen setzen und eigene Vorschläge präsentieren, die nicht ganz so extrem sind, aber immer noch extrem schlecht.

Neustes Beispiel für diese Entwicklung: die «Anti-Chaoten-Initiative» der Jungen SVP Zürich. Die logischerweise von der Mutterpartei unterstützt wird – und von der FDP, deren Juniorenabteilung, dem Hauseigentümerverband und anderen SVP-Frontorganisationen. Die Initiative fordert eine Bewilligungspflicht für alle Kundgebungen und Demonstrationen. Wer trotzdem an einer Demo ohne Bewilligung teilnimmt, soll für die Polizeikosten haftbar sein und allfällige Sachschäden ohne nachgewiesene Schuld bezahlen müssen. Der Gegenvorschlag der rechten Parlamentsmehrheit unterscheidet sich inhaltlich kaum und teilt das Ziel der Initiative: die Kriminalisierung und Einschüchterung von Teilnehmenden an Demonstrationen, deren Inhalte den Regierenden nicht passen.

VERFASSUNGSWIDRIG

Die Bewilligungspflicht für alle Demonstrationen ist ein alter Traum der Rechten. Sie wollen bestimmen, wer wie für welches Anliegen auf die Strasse darf – und vor allem, wer nicht. Wer ohne Bewilligung eine Demo organisiert – was von der Bundesverfassung garantiert ist –, soll gemäss Initiative die entstandenen Polizeikosten und allfällige Sachbeschädigungen bezahlen. Beim Gegenvorschlag würden «nur» die Polizeikosten verrechnet. Damit würden alle spontanen und unbewilligten Demonstrationen verfassungswidrig kriminalisiert.

Wie einfach es ist, unter dem Vorwand, «Chaotinnen und Chaoten» zu bekämpfen, selbst bewilligte und friedliche Demos anzugreifen, beweist die Basler Polizeidirektorin Stephanie Eymann (LDP) immer wieder. Zuletzt massiv am 1. Mai 2023, als sie die offizielle, friedliche und bewilligte 1.-Mai-Kundgebung der Gewerkschaften nach wenigen Metern stoppen liess und auf eine andere Route zwingen wollte. Tränengas-Einsatz inklusive. Auch auf Familien-Demos gegen Rechtsextremisten lässt Eymann ihre Truppen unter dem Vorwand «nicht bewilligt» gerne los.

BREITES BÜNDNIS

Initiative und Gegenvorschlag wollen beide die Menschen mit drohenden Kosten und Kollektivstrafen von der Wahrnehmung ihrer demokratischen Grundrechte abhalten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Vorlagen genau geprüft und ist zum klaren Schluss gekommen: Beide verstossen gegen Völker- und Verfassungsrecht. Gegen diesen Angriff auf die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit treten Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gemeinsam mit fortschrittlichen Parteien und Organisationen an: Nein zur «Anti-Chaoten-Initiative» und Nein zum Gegenvorschlag.


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