Die «Renteninitiative» ist eine Mogelpackung

Gefährlicher Pfusch der Jungfreisinnigen

Clemens Studer

Einen guten Ruhestand soll es nur noch für Reiche geben. Alle anderen sollen chrampfen bis zum Umfallen. Das wollen die Jungfreisinnigen mit ihrer Initiative erreichen. Sie ­verdienen eine wuchtige Abfuhr.

GEFÄHRDET: Die Jungfreisinnigen-Initiative hätte auch für den hart erkämpften flexiblen Altersrücktritt (FAR) ab 60 Jahren Folgen. (Foto: ZVG)

Die Jungfreisinnigen sind sehr traditions­bewusst. Ihre Initiative steht in der jahrzehntealten Tradition der Grossbanken und Versicherungen. Darum werden sie auch von diesen finanziert. Ihre Absicht: die AHV schwächen und den Finanzkonzernen noch mehr Geld zuschaufeln. Nur Reiche sollen sich noch einen guten Ruhestand leisten können. Und alle anderen sollen mehr oder weniger bis zum Umfallen chrampfen.

Die Realität für die riesige Mehrheit der Arbeitnehmenden im Land ist den Jungfreisinnigen und ihren Unterstützern egal. Sie sieht so aus:

  • Ältere Arbeitnehmende haben immer grössere Mühe auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere Arbeitnehmende im Alter von 60 bis 64 Jahren. In dieser Altersklasse ist die Arbeitslosigkeit am grössten. Ältere Arbeitnehmende haben Schwierigkeiten, wieder eine Stelle zu finden, unabhängig von ihren Qualifikationen und Lohnvorstellungen. Eine Erhöhung des Rentenalters treibt mehr Menschen in die Langzeitarbeitslosigkeit und die Sozialhilfe. Das zeigt ein Blick in Länder, die dieses marktradikale Konzept anwenden.
  • Das gesetzliche festgelegte Rentenalter ist für die meisten Lohnabhängigen das Referenzalter für die Pensionierung. Wird es erhöht, müssen alle länger arbeiten. Oder jedenfalls fast alle, denn:
  • Wer es sich leisten kann, geht schon heute früher in Rente. Leisten können sich das nur Leute mit hohen und sehr hohen Löhnen. Besonders hoch ist die Frühpensio­nierungsquote bei Banken und Versicherungen. Also gerade bei jenen, die uns andere immer länger arbeiten lassen wollen.
  • Die Statistiken zeigen klar: wer mehr verdient, lebt auch länger. Wer seine Muskeln vom harten Arbeiten hat und nicht aus dem Fitnesscenter, ist irgendwann am Ende seiner Kräfte.

ANGRIFF AUF FAR

Zum Beispiel auf dem Bau: Seit gut 20 Jahren gibt es auf dem Bau den flexiblen Altersrücktritt (FAR). Die Bauleute haben sich den FAR erkämpft, weil sie oft körperlich belastende und gefährliche Arbeitsbedingungen haben. Seit 2003 konnten bereits über 28 000 Bauleute mit 60 in Rente gehen. Sie erhalten bis zur ordentlichen Pensionierung eine Überbrückungsrente von rund 70 Prozent des letzten Lohnes. Finanziert wird diese – wie die AHV – im Umlageverfahren mit Lohnprozenten. Der FAR ist – ebenfalls wie die AHV – ein Erfolgsmodell. Und das ist von der Renteninitiative massiv bedroht. Denn würde nach einem Ja das Rentenalter sofort auf 66 Jahre und später auf 67, 68 oder noch mehr Jahre angehoben werden, stiege automatisch auch das Alter für die Frühpensionierung auf 61, 62, 63 oder gar noch höher. Denn der FAR finanziert maximal fünf Jahre vor dem ordentlichen Pensionierungsalter.

RENTENALTER  71

Vor der Einführung des FAR erlebte nur gerade einer von fünf Bauarbeitern die ­ordentliche Pensionierung. Zwei Fünftel mussten sich einen Job in einer anderen Branche suchen, ein Fünftel landete in der IV – und 20 Prozent starben vor dem Erreichen des AHV-Alters. Dahin wollen die Jungfreisinnigen zurück. Sie behaupten, das sei nötig für gesunde AHV-Finanzen. Ein grosser Unsinn, wie der Realitätscheck zeigt: Hätte in den vergangenen 50 Jahren gegolten, was die Jungfreisinnigen jetzt fordern, läge das Rentenalter heute bei 71. Dabei schreibt die AHV zurzeit bei einem Renten­alter von 65 Jahren Milliardenüberschüsse.


«Dieser Rentenraub muss sofort gestoppt werden!» Jungallianz sagt NEIN zur Renteninitiative

JUNGALLIANZ: Klares Nein zum höheren Rentenalter. (Foto: ZVG)

Eine Allianz junger Menschen zeigt Haltung: Am 3. März stimmen sie Nein zur Renteninitiative der Jungfreisinnigen. Denn die direkte Folge der Initiative ist nicht wie ­versprochen «eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge», sondern sie ebnet den Weg, um das Rentenalter ­immer weiter zu erhöhen. Die Gewerkschaftsjugend, die Jungparteien Juso und Junge Grüne sowie Aktivistinnen und Aktivisten des femi­nistischen Streiks und der ­Klimajugend schliessen sich zusammen, um sich für ihre Zukunft und ihre Rechte einzusetzen.

Félicia Fasel, Unia-Jugend-Sekretärin und Präsidentin der SGB-Jugendkomission, sagt: «Die Jungfreisinnige ignorieren schlicht die Realitäten des Arbeitsmarktes. Wir dürfen unsere ­Gesundheit nicht für eine überflüssige und schädliche Initiative aufs Spiel setzen!»

RENTENRÄUBER

Erst im September 2022 wurde mit der Initiative «AHV 21» das Rentenalter für die Frauen erhöht. Seit Januar gilt: Frauen müssen bis 65 arbeiten. Schon damals warnten die Gewerkschaften im Abstimmungskampf vor weiteren Erhöhungen des Rentenalters durch die bürgerlichen Parteien. Diese Warnungen wurden aber als Panik­mache abgetan. Und nun steht das Schweizer Volk vor einer weiteren potentiellen Erhöhung. Eine schwerwiegende Änderung, die alle betrifft. Auch jene, die am 3. März nicht darüber abstimmen können, weil ihnen der Schweizer Pass dazu fehlt.

Laut Jungallianz können und wollen Arbeiterinnen und Arbeiter auf dem Bau, im Nahverkehr, bei der Zulieferung oder in der Pflege nicht noch länger arbeiten. So machen sie klar: «Eine Erhöhung des Rentenalters wäre nicht nur gesundheitsgefährdend, sondern auch unsolidarisch.»

Nicola Siegrist, Präsident der Juso Schweiz, sagt: «Die Rentenräuber der Jungfreisinnigen und der Jungen SVP müssen gestoppt werden.» Denn ein würdiges Leben im Alter soll kein Privileg für Reiche sein. Die Allianz macht sich auch stark für die 13. AHV-Rente. Magdalena Erni, Co-Präsidentin Junge Grüne Schweiz: «Die AHV ist die solidarischste Säule unserer Vorsorge!» (Darija Knežević)


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