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Neue Studie zeigt: So geht Energiewende ohne AKW

Iwan Schauwecker

Rechte und bürgerliche Politiker wollen uns weismachen, dass die Energiewende nur mit Atomstrom zu schaffen sei. Jetzt zeigt eine neue ETH-Studie das Gegenteil. Und verspricht erst noch 50’000 neue Jobs.

ES GEHT AUCH OHNE: Wir können uns in der Schweiz von der Atomkraft verabschieden und trotzdem unsere Klimaziele erreichen. (Foto: Keystone)

Eine neue Studie zeigt, dass die Schweiz ihre Klimaziele bei der Stromproduktion auch ohne Atomenergie und fossile Grosskraftwerke erreichen kann. Forschende der ETH Zürich, der EPFL Lausanne und der Universitäten Bern und Genf skizzieren drei verschiedene Szenarien: Alle drei sind technisch realisierbar, wenn der Ausbau mit zwischen 0,5 und 2,1 Milliarden Franken pro Jahr finanziert und beschleunigt wird. Zum Vergleich: Die Stilllegung der Schweizer Atomkraftwerke wird voraussichtlich 23 Milliarden Franken kosten.

Aktuell liegt die Stromproduktion in der Schweiz bei knapp 60 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Die Studie zeigt nun auf, wie in der Schweiz bis 2035 zusätzlich 35 Terawattstunden (TWh) Strom aus grünen Technologien, also Sonne, Wind, Holz und Biogas (aus Abfällen und Biomasse), produziert werden können. Das ist ein ambitioniertes Ziel, denn bisher liegen die entsprechenden Kapazitäten für Ökostrom in der Schweiz bei lediglich etwa sieben 7 TWh.

SOLARPANELS IN DEN STÄDTEN UND DEN ALPEN

Das erste Szenario der Studie setzt auf den Bau von Solaranlagen auf Dächern und Fassaden von bestehenden Gebäuden, auf Solarparks im Tessin und im Wallis und auf vereinzelte Windparks. Damit sollen bis in zehn Jahren 25 TWh aus Photovoltaik, acht 8 TWh aus Biomasse und Abfall und zwei 2 TWh aus Windkraft erzeugt werden. Im zweiten Szenario würden die Solaranlagen mit Speicherbatterien kombiniert. Giovanni Sansavini ist Professor am Departement für Maschinenbau der ETH Zürich. Er sagt: «Es würden Photovoltaikanlagen in den Kantonen Bern, Zürich und der Zentralschweiz errichtet, wo die Dichte an geeigneten Gebäuden hoch ist.»

In diesen Kantonen werden Solaranlagen auch mit öffentlichen Geldern unterstützt. Aber auch auf alpinen Freiflächen im in den Kantonen Graubünden und Wallis müssten in dieser Variante grosse Solarparks gebaut werden. Windparks hingegen könnten vermieden werden. Das dritte Szenario legt den Fokus voll auf die Produktivität der Anlagen und würde hauptsächlich im Alpenraum mit einem Mix von 30 TWh Photovoltaik und 5 TWh Windenergie umgesetzt. Alle drei Szenarien wären im Rahmen des neuenStromgesetzes, welches das Parlament im Herbst beschlossen hat, umsetzbar.

MEILENSTEIN FÜR DIE ENGERGIEWENDE

Für Lukas Braunreiter von der Schweizerischen Energiestiftung (SES) zeigt die Studie, dass das neue Stromgesetz ein Meilenstein für die Schweizer Energie- und Klimapolitik ist. «Auch hinsichtlich Versorgungssicherheit und Arbeitsplätzen sind die Ziele des Stromgesetzes vorteilhaft gegenüber dem Status quo», sagt er. Die Studie geht davon aus, dass jährlich zwischen 18 000 und 57 000 Personen für die Installation und den Betrieb der neuen Anlagen arbeiten werden. Dabei könnten 33 Prozent der Arbeitsplätze auf die Herstellung, 62 Prozent auf Bau und Installation, 4 Prozent auf Betrieb und Wartung und ein Prozent auf die Erneuerung der Anlagen entfallen. Die Stromerinnen und Stromer kämpfen mit der Unia dafür, dass die Menschen, welche die Solarpanels in den nächsten zehn Jahren installieren und unterhalten, nicht nur viel Arbeit, sondern auch anständige Arbeitsbedingungen und Löhne haben werden (mehr dazu hier).

Rückständige Arbeitsbedingungen gefährden Klimaziele

Für die Energiewende braucht es nicht nur Solarpanels, auch die Heizungssysteme müssen in vielen Gebäuden ersetzt werden. Prognosen gehen von insgesamt rund 90 000 zusätzlichen Berufsleuten aus, die nötig sind, um die Energiewende in den nächsten Jahren zu schaffen. Besonders hoch ist der Bedarf in der Elektro- und Gebäudetechnik. Und dort fehlen die Fachkräfte schon heute. Auch weil ihre Arbeitsbedingungen immer prekärer werden. Eine Umfrage der Unia bei 2’000 Elektrikerinnen und Elektrikern hat ergeben, dass über 44 Prozent der befragten Arbeitnehmenden die Branche verlassen wollen oder dies bereits erwägt erwogen haben. Sie leiden unter überlangen Arbeitstagen und Stress aufgrund der kurzen Fristen und hohemhohen Arbeitsvolumens. Die Folgen sind psychische und physische Belastungen, und dies in Berufszweigen, wo die Löhne hinterherhinken. Elektroinstallateure erhalten nach der Lehre einen Lohn von 4’500 Franken pro Monat. Gebäudetechnikerinnen verdienen 4’100 Franken pro Monat, während der Lohn von Maurern unmittelbar nach Abschluss des EFZ 5800 Franken beträgt.


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