Lokführerinnen und -führer setzen Deutsche Bahn unter Druck

Schluss mit «Tarnen, Tricksen, Taschen füllen»!

Daniel Behruzi

In Deutschland beginnt das Jahr mit einer Welle von Streiks und Protesten. Lokführer legen den Bahnverkehr drei Tage lang weitgehend lahm, um für Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhungen Druck zu machen. Zugleich blockieren Landwirte überall im Land Kreuzungen und Autobahnauffahrten, um geplante Subventionskürzungen zu verhindern.

BÄHNLER-STREIK: Lokführer gehen durch den Leipziger Hauptbahnhof. (Foto: Keystone)

Dem von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ausgerufenen «Weihnachtsfrieden» folgt der Arbeitskampf: Seit Mittwoch (10. Januar) fallen vier von fünf Bahnfahrten aus. Grund ist der dreitägige Streik von Lokführern und Zugbegleitern. Die Bahn habe «den Weihnachtsfrieden nicht genutzt, um mit einem verhandlungsfähigen Angebot Arbeitskampfmassnahmen entgegenzuwirken», erklärte GDL-Chef Claus Weselsky. Stattdessen habe die Deutsche Bahn (DB) versucht, «eine weitere Nebelkerze» zu zünden und den Streik per Gerichtsbeschluss zu verbieten. Das hat nicht geklappt. Das Frankfurter Arbeitsgericht und das hessische Landesarbeitsgericht wiesen den Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen den Streik ab. Der Versuch zeige «die Verzweiflung eines sozialfremden Arbeitgebers, der kein noch so abwegiges Mittel scheut, um die starke GDL zu eliminieren», kritisierte der Gewerkschaftschef.

Die Streikenden fordern neben mehr Geld die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden – ohne Lohnverlust. Das Unternehmen bietet hingegen lediglich an, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit individuell reduzieren und dabei auf das entsprechende Gehalt verzichten können. Weselsky: «Wie weltfremd muss ein Arbeitgeber sein, ein Teilzeitmodell anzubieten, das vom Arbeitnehmer selbst finanziert wird?» Der Konzern verfolge die Taktik «Tarnen, Tricksen, Taschen füllen». Ende des Jahres war bekannt geworden, dass die neun Vorstandsmitglieder der Deutschen Bahn AG trotz miesen Pünktlichkeitswerten Bonuszahlungen von insgesamt fünf Millionen Euro erhalten – zusätzlich zum Grundgehalt von zusammen rund vier Millionen Euro.

Der Ausstand endet Freitagabend. Kommt dann kein neues Angebot, wollen die Lokführer nach einer Pause erneut streiken. Selbst unbefristete Streiks sind möglich, denn 97 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder haben sich in einer Urabstimmung dafür ausgesprochen.

BAUERNBLOCKADEN IM GANZEN LAND

Auch die Bauern protestieren in ganz Deutschland. (Foto: Keystone)

 

 

 

Während die Züge stehen, geht auch auf den Strassen vielerorts wenig: Überall im Land blockieren wütende Bauern Zufahrten und Kreuzungen, entfachen Mahnfeuer, demonstrieren bei Auftritten von Politikerinnen und Politikern und vor Parlamenten. Allein am Montag beteiligten sich laut Bauernverband landesweit 100’000 Traktoren zum Auftakt einer «Woche des Zorns» gegen die geplante Abschaffung von Steuervergünstigungen beim Agrardiesel. Schon die ersten Aktionen zeigen Wirkung: Die Bundesregierung will die Befreiung der Landwirte von der Kraftfahrzeugsteuer –anders als zunächst vorgesehen – nun doch nicht streichen. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, nannte die Zugeständnisse «einen faulen Kompromiss, der keinen Traktor von der Strasse holen wird». Für Montag mobilisiert der Verband zu einer Grossdemonstration nach Berlin. Dann wollen sich auch die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP zum Gespräch mit Bauernvertretern treffen.

Diese müssen sich derweil von Rechten abgrenzen, die versuchen, die Proteste zu instrumentalisieren. «Rechte und andere radikale Gruppierungen mit Umsturzgelüsten wollen wir auf unseren Demos nicht haben», stellte Rukwied klar. Dennoch traten Rechtspopulisten und Neonazis bei etlichen Protestaktionen sichtbar in Erscheinung. Uwe Ledwig von der Lebensmittelgewerkschaft NGG forderte, es müsse eine klare Trennlinie gegenüber Rechtsextremen gezogen werden. Zugleich verwahrte er sich dagegen, die Protestierenden pauschal in die rechte Ecke zu stellen.

Es gehe nicht nur um die Bauern, auch anderweitig solle die Lücke im Staatshaushalt auf die breite Masse abgewälzt werden. So sind unter anderem Kürzungen bei Sozialleistungen geplant. Stattdessen müsse die Regierung «die Reichen zur Kasse bitten», forderte der Gewerkschafter. «Umverteilung ist das Gebot der Stunde, aber nicht mehr von unten nach oben, sondern andersherum! Ein Protest dafür ist ein berechtigter Protest.»

WEIHNACHTSSTREIK IM HANDEL

Um diesen grundlegenden Verteilungskonflikt geht es auch in der Tarifauseinandersetzung für die fünf Millionen Beschäftigten des Einzelhandels. Seit einem Dreivierteljahr legen diese immer wieder die Arbeit nieder – zuletzt auch im Weihnachtsgeschäft. Dennoch beharren die Arbeitgeber bislang auf ihrem Vorhaben, «einen Tarifabschluss auf niedrigstem Niveau zu erreichen», kritisiert Silke Zimmer vom Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi. Statt der geforderten 2,50 Euro mehr pro Stunde bieten die Handelsunternehmen für 2024 gerade mal etwa einen Euro mehr. Verdi will die Beschäftigten deshalb auch im neuen Jahr zu Streiks aufrufen.

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