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Raus aus der Klimakrise – aber richtig und sozial!

Ralph Hug

Wie können wir die­ ­Klimakrise ­bewältigen? Das ist eine der ­brennendsten ­Fragen ­unserer Zeit. Wer ­Antworten sucht, wird im neuen Caritas-Sozialalmanach fündig.

NEUE REALITÄT: Wetterextreme nehmen zu, die Wende schaffen wir aber nur mit sozialer Gerechtigkeit. (Foto: Keystone)

Das Hilfswerk Caritas zeigt sich auf der Höhe der Zeit: Der Übergang vom derzeitigen Raubbau-Kapitalismus zu einer Gesellschaft, die ihre natürlichen Lebensgrundlagen respektiert, ist für uns alle zur Überlebensfrage geworden. Das präsentiert Caritas im Sozialalmanach 2024 (siehe Box). Zwei Dutzend Autorinnen und Autoren, dar­unter bekannte Namen wie Klaus Dörre, Ueli Mäder oder François Höpflinger, liefern viel Lesestoff auf zweihundert Seiten. Der Titel: «Sozialökologische Wende und Armut in der Schweiz».

MEHR ZEIT FÜR ALLE

Einen Königsweg gibt’s nicht. Aber klar ist: Die Wende muss ökologisch sein, und sie muss auch sozial sein. Es gehe darum, Existenzen zu sichern, betonen Caritas-Direktor Peter Lack und Fabian Saner, Leiter der Fachstelle Bildung bei der Caritas. Vor allem Armutsbetroffene und Marginalisierte litten besonders unter der Krise. Ihr geringes Einkommen lasse ihnen kaum Spielraum. So warnt die Caritas vor der simplen Forderung nach Verzicht, den Privilegierte ausgerechnet den Armen abverlangten. Vielmehr brauche es angesichts der Klimakrise ein «neues Verständnis solidarischer Praxis zwischen Ungleichen».

Die ökologische Wende ist ohne soziale Gerechtigkeit nicht zu haben: Diese Auffassung durchzieht fast alle Texte im Band. Die Ablehnung des CO2-Gesetzes im Jahr 2021 dient als Beleg dafür: Politische Erfolge sind nur dann möglich, wenn bei ökologischen Massnahmen Rücksicht auf die Interessen der breiten Bevölkerung und namentlich der Schlechtergestellten genommen wird. Um dies zu erreichen, braucht es neue Bündnisse. Zum Beispiel zwischen den Gewerkschaften und den sozialen Bewegungen, wie Unia-Soziologin Mirjam Brunner betont. Sie fordert in ihrem Beitrag eine Arbeitszeitverkürzung und die Vier-Tage-Woche. Diese müsse aber richtig etabliert werden – nicht so, dass mehr Stress und Burnouts entstünden, sondern dass mehr Zeit für ein würdiges und ökologisches Leben resultiere. Neben dem Wohlstand müssten auch die Zeitressourcen besser verteilt werden.

Der Soziologe Klaus Dörre, der auch schon bei der Unia zu Gast war, macht Mut und verweist auf positive Beispiele, wo die Wende bereits gelebt wird und funktioniert – etwa bei Genossenschaften oder in gemeinschaftlichen Quartierinitiativen. Er sieht viele Wege, das umweltschädliche Profitprinzip zurückzudrängen, sei es durch neue Umwelt- und Sozialstandards oder auch durch Reichtumsabgaben zur Finanzierung von Klimamassnahmen.

Interessant: Der Caritas-Band ­beleuchtet auch neue Beteiligungsformen wie zum Beispiel lokale Bürgerinnen- und Bürgerräte. Solche Räte werden nach dem Losprinzip ausgesucht, sie erarbeiten dann Klimaschutzvorschläge und stärken so die öffentliche Klimadebatte. Derartige Institutionen der Mitsprache gibt es nicht nur in Frankreich, sondern auch in der Westschweiz, in Sitten, Bellinzona oder Winterthur. Ihre Wirkung auf das allgemeine Bewusstsein in der Gesellschaft sei nützlich, so das positive Fazit einer Untersuchung.

Natürlich kommt im Band auch der übermässige Klimakonsum der Reichen mit ihren Privatjets, Luxusvillen und Jachten zur Sprache. Und die Tatsache, dass die Armen oft die Klimaziele schon erfüllen, aber eben durch Zwangsverzicht mangels Einkommen. An Solidarität kommt jedoch niemand vorbei, soll die Wende gelingen. Offen bleibt die Frage, wie diese Solidarität nach dreissig Jahren neoliberalem Egoismus dauerhaft wiederhergestellt werden kann.

Sozialalmanach: Denkarbeit der Caritas

Seit 1999 gibt die Caritas jährlich den Sozialalmanach heraus. Diese Bände versammeln jeweils Fachbeiträge zu aktuellen Themen, welche die Armutsbekämpfung, die zentrale Aufgabe des Hilfswerks, tangieren. Damit leistet die Caritas wichtige Denkarbeit und gibt Anstösse zu Reformen. Nach Frauenarmut und Ungleichheit geht es im soeben erschienenen neuesten Band um die sozialökologische Wende.

Sozialalmanach 2024. Sozialökologische Wende und Armut in der Schweiz.
Herausgegeben von Caritas Schweiz, Fr. 36.–. Erhältlich in den Buchhandlungen oder direkt bei der Caritas.

 

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