Von wegen «Bedürfnissen» und «Gleichstellung»

Immer wieder am Volk vorbei

Clemens Studer

Ob Aushebelung des ­Arbeitsgesetzes oder ­längere Öffnungszeiten ­für Läden: Arbeitgeber argumentieren gerne mit den «Bedürfnissen» der Lohnabhängigen und ­Konsumierenden. Blöd nur: Meistens fallen ihre Lösungen beim Volk durch­.

IM FOKUS: Immer wieder sollen die Arbeitszeiten ausgedehnt werden, doch das Volk stellt sich meistens dagegen. (Foto: Adobe)

  • «Liberalisierung» der Ladenöffnungszeiten. In den vergangenen 17 Jahren fielen über 70 Prozent der Vorlagen in den Kantonen und Gemeinden durch.
  • Abstimmung mit dem Wägeli. In jenen Orten, wo längere Ladenöffnungszeiten oder zusätzliche Sonntagsverkäufe eingeführt wurden, stimmten die Konsumentinnen und Konsumenten mit dem Wägeli ab. Sie blieben zu Hause, schliesslich kann man einen Franken nur einmal ausgeben. Operative Gewerblerinnen und Gewerbler zogen daraus ihre Konsequenzen und liessen ihre Läden geschlossen. Marktradikale Ideologie muss man sich leisten können.
  • Die Ohrfeige von 1996. Schon vor rund 30 Jahren fühlten sich die Arbeitgeberverbände, SVP, FDP und Teile der CVP unschlagbar und zimmerten nach 7 Jahren im parlamentarischen Prozess eine Arbeitsgesetzrevision nach ihrem Gusto. Ihre Highlights: keine Entschädigung der Nachtarbeit durch Ruhezeit, «Tagesarbeit» bis 23 Uhr (also zuschlaglos), mehr bewilligungsfreie Überstunden, sechs Tage bewilligungsfreie Sonntagsarbeit.

Eine bürgerliche Mehrheit hatte einen immer grösseren Arbeitgeber-Wunschzettel ins Gesetz geschrieben. Allen Warnungen der Gewerkschaften und der Kirchen zum Trotz. So auch die Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen. In vorauseilendem Gehorsam hatte der Bundesrat auf Druck der Arbeitgeberverbände bereits 1992 ein Abkommen mit der Inter­nationalen Arbeitsorganisation (ILO) gekündigt, das diesem Vorhaben entgegenstand. Verkauft wurde dies durch die Arbeit­geberverbände als «Gebot der Gleichberechtigung der Geschlechter».

Die linken Parteien und die Gewerkschaften bekämpften das Gesetz. Die nationale CVP fasste ebenfalls die Nein-Parole. Der Widerstand der Kirche zeitigte Wirkung. Allerdings nicht überall, 12 Kantonsparteien sagten Ja. Nein sagte dagegen das Volk – und das mit 67 Prozent überaus deutlich.

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