Signa-Gruppe von René Benko ist in schweren Turbulenzen – Baustellen stehen still

Gewerkschaftshasser geht das Geld aus

Clemens Studer

Wieder wackelt das Imperium eines vermeintlichen Wunderknaben. Und wenn die Signa-Gruppe des Tirolers René Benko zusammenkracht, donnert’s auch in der Schweiz.

BLENDER PAR EXCELLENCE: René Benko und seine Ehefrau Nathalie strahlen in die Kamera. Doch Benkos Imperium droht zusammenzustürzen. (Foto: Keystone)

Weihnachten 2017. Immobilienspekulant René Benko will unbedingt das traditionsreiche Leiner-Warenhaus an der Wiener Mariahilfer Strasse kaufen. Für 60 Millionen Euro. Es pressiert, denn der Kiki-Leiner-Konzern steht knapp vor dem Konkurs. Blöd nur, dass die zuständigen Ämter Weihnachtsferien haben. Gut, dass Benko die Handynummer des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz hat. Der lässt einen leitenden Beamten aus den Ferien zitieren und den Verkauf ins Grundbuch eintragen. Vier Monate später erhält Benko von der Raiffeisenbank Oberösterreich auf die Liegenschaft einen Hypothekarkredit von 95 Millionen Euro – 35 Millionen hat er «verdient». In dieser kleinen Episode zeigt sich exemplarisch, wie aus dem Tiroler Arbeitersohn René Benko der Mann wurde, der ein Imperium schuf, vor dessen bevorstehendem Zusammenbruch jetzt Banken und Immo-Konzerne in halb Europa zittern. Und ein paar reiche Investoren dazu. Auch in der Schweiz.

START IM ESTRICH

Der 1977 in Innsbruck als Sohn einer Kindergärtnerin und eines Gasablesers geborene René Benko wollte schon früh hoch hinaus. Durchaus im wörtlichen Sinn. Bereits mit 17 Jahren verdiente er Geld mit dem Umbau von Estrichen in Luxuswohnungen. Deswegen fehlte er so oft in der Schule, dass er nicht zur Maturaprüfung zugelassen wurde. Dafür beeindruckte er seine Mitschülerinnen und Mitschüler mit fetten Goldketten und einem geleasten Ferrari. Rasch fand er Investoren, die ihm das Geld für die rasante Expansion seiner Immobiliengeschäfte zur Verfügung stellten. Das Prinzip blieb bis heute gleich: Immobilien mit viel Fremdkapital kaufen, umbauen, verkaufen – oder in der Bilanz aufwerten. Und mit dem «neuen» Geld das nächste Objekt kaufen.

GEWERKSCHAFTSFEIND

Besonders schöne Immobilien an begehrten Lagen hatten die Kaufhaus-Konzerne. Das erkannte Benko früher als andere. Und setzte vor allem in Deutschland zur Einkaufstour an. Angeblich wollte er neben dem Immobilienkonzern ein Handelsimperium zimmern. Aber eigentlich ging es am Ende immer um die Immobilien. Was dar­in war, blieb zweitrangig. Und die betroffenen Lohnabhängigen bestenfalls drittrangig. Benko liess die Warenhäuser nach dem Shop-in-Shop-Prinzip in kleine Malls umbauen. Er erhöhte die Mieten stark und entliess Tausende. Dafür flossen an das Aktionariat der Signa-Holding Hunderte von Millionen an Dividenden.

Die Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften sind legendär. Und Benkos Fähigkeit, dank seinen politischen Beziehungen neben «moralischer» staatlicher Unterstützung auch ganz handfeste monetäre zu erhalten, sind es ebenso. Der deutsche «Stabilisierungsfonds» zahlte 700 Millionen Euro, um wenigstens einen Teil der Jobs in Benkos Kaufhäusern zu retten. Er selbst war zu Investitionen nicht bereit. Sondern verlangte von den Mitarbeitenden «einen Beitrag an die Sanierung» und meinte damit einen massiven Lohnverzicht. Ähnlich lief es in Österreich. In seiner Heimat wurde Benko rechtskräftig verurteilt wegen «versuchter verbotener Intervention» (österreichisch für Schmiergeldzahlungen) in einem Steuerverfahren. Seither ist Benko auf dem Papier in keiner operativen Funktion mehr für ­Signa tätig.

Er erhöhte die Mieten und entliess Tausende.

KAPITALISTEN-KRACH

Trotz allem suchten weiterhin Politiker und Superreiche Benkos Nähe. Zu üppig flossen die Dividenden. Doch jetzt scheint das Benko-Imperium vor dem Fall zu stehen. Baustops und fällige Kredite beunruhigen die Banken und die Investoren. Ein Sanierer soll retten, was zu retten ist. Aber wenn Kapitalisten nervös werden, fangen sie auch untereinander Krach an. Und dieser scheint bei den Benko-Kumpanen in vollem Gang. Offenbar waren einige ein bisschen vorsichtiger – oder schlauer – als andere. Und liessen sich von Benko Sicherheiten geben.

So der in der Schweiz lebende deutsche Steuerflüchtling Klaus-Michael Kühne oder Fressnapf-Gründer Torsten Toeller. Lange Jahre ganz stolz auf sein Dabeisein auf der obersten Etage des Benko-Imperiums war Ernst Tanner. Der ewige Lindt-&-Sprüngli-Chef hat es als einer der raren Nichterben ganz weit vorne auf die Reichsten-Rangliste des Wirtschaftsmagazins «Bilanz» geschafft. Seit Jahren fungiert er dort mit jeweils zwischen 600 und 800 Millionen Franken Vermögen unter den reichsten «Chefs und Scheffler» (Zitat «Bilanz»). Tanners Beteiligung bei der Signa-Holding schätzt die «Bilanz» zuletzt auf 200 Millionen Franken. Wie viel davon schon futsch ist, werden die kommenden Monate zeigen. Bedauern muss man Tanner auch bei einem Totalverlust nicht: über die Jahre hat er tolle Dividenden aus dem Benko-Imperium bezogen.

Geschäfte in der Schweiz: Und der Globus dreht sich einfach weiter?

Benko nutzt die Angebote der Schweizer ­Finanz- und Anwaltsszene seit Jahrzehnten. Viele der Firmen seines Schachtel-Imperiums haben ihren Sitz hier. Doch so richtig ins ­öffentliche Bewusstsein kam er erst, als er nach der Warenhauskette Globus griff. Diese wollte die Migros zu Geld machen und fand in Benkos Signa und der thailändischen Oligarchenfamilie Chirathivat Käufer. Für 1 Milliarde Franken griffen Signa und Central Group zu.

FIRMEN-KASKADE. Benko-üblich wurden alle Immobilien in einzelne Firmen gesteckt, die jeweils wie die Adresse des Gebäudes ­heissen. Und so funktioniert die Verschachtelung: zum Beispiel das Flaggschiff an der Zürcher Bahnhofstrasse. Das Gebäude gehört als einziger Besitz einer luxemburgischen ­Firma namens «Zürich, Schweizergasse 11 Immobilien S. à r. l.». Diese Gesellschaft wiederum gehört einer «Matterhorn Immobilien Holding S. à r. l.», der auch die anderen Firmen gehören, in denen die Schweizer Globus-­Gebäude «stecken». Die «Matterhorn Immobilien Holding» ihrerseits gehört zur Hälfte (über eine weitere luxemburgische Gesellschaft) der thailändischen Central Group. Die anderen 50 Prozent gehören der in Wien eingetragenen «Signa Prime Matterhorn GmbH». ­Diese wiederum gehört zu 100 Prozent der «Signa Prime Swiss GmbH» an der gleichen Postadresse. Die «Signa Prime Swiss GmbH» gehört zu 100 Prozent der «Signa Prime ­Selection AG» in Innsbruck, jene wiederum zu 58 Prozent der Signa Holding AG mit Sitz ebenfalls in Innsbruck. Und bei dieser taucht zum ersten Mal René Benko offiziell auf. Er ist über seine Stiftungen der Haupteigentümer. Insgesamt gehören zur gesamten Signa-Gruppe über 1000 Gesellschaften. Den Überblick hat wohl – wenn überhaupt – nur Benko selber. Jetzt arbeitet sich ein deutscher ­Firmensanierer ein.

«ALLES LÄUFT GUT». In der Schweiz sendet Globus derweil beschwichtigende Nachrichten: Das Tagesgeschäft der Warenhäuser ­laufe gut, die laufenden Umbauten seien ausreichend finanziert. Ein Baustop wie etwa in Deutschland drohe in Basel nicht.

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