So hat der 4-A-Präsident Thierry Burkart die Liberalen zerlegt

Sieger sitzen nicht im Seitenwagen

Clemens Studer

Während sich die Medien an SVP-Gewinnen und Grünen-Verlusten berauschen, geht die FDP fast unbeachtet den Bach ab.

Thierry Burkart. (Foto: Keystone)

Uiuiui, war das eine Stimmung am 2. Oktober vor zwei Jahren, als der Aargauer Thierry Burkart als FDP-Präsident gewählt wurde. Im Bieler Kongresshaus kündigte er an, was er anders machen wolle als seine vom ­umweltfeindlichen Flügel der Partei aus dem Amt gedrängte Vorgängerin Petra Gössi: unter anderem ganz unbescheiden die SP als zweitstärkste Partei ablösen. Die Aargauer und Zürcher Zentralredaktionen waren begeistert, work würdigte ihn auch: «Seit dem 2. Oktober 2021 hat die FDP einen 4-A-Präsidenten. Thierry Burkart steht für Aargau, Auspuff, AKW und Abzocker.» Den ganzen Text gibt es hier.

SEITENWAGEN

Burkart ging munter ans Werk: Ran an die SVP. Listenverbindungen, wo immer möglich, und im Parlament passt seit längerem schon kaum ein Blatt zwischen die rechtsnationalistische und die rechtsbürgerliche Partei. Steuergeschenke für die Reichsten, Rentenkürzungen für die Frauen, Klimaschutz eher nicht, AKW jederzeit. Und so weiter und so fort. So fort, wie jetzt die Wählerinnen und Wähler sind.

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr des modernen Bundesstaates, den wackere Freisinni­­ge einst errevoluzzerten, fährt Burkart die FDP im SVP-Seiten­wagen an die Wand. Mehr noch: sie lässt sich demütigen.

Burkart fährt die FDP im SVP-Seitenwagen an die Wand.

VORGEFÜHRT

Das ganze Ausmass der Demü­tigung zeigt sich dabei nicht dar­an, dass die FDP schon dar­über jubelt, dass ihr wenigstens die Schmach erspart blieb, vom historischen Sonderbundskrieg-Gegner CVP (heute: Mitte) überholt zu werden, nachdem die Bundesstatistiker wegen technischer Probleme mit drei Kleinkantonen den Wähleranteil im Promille-Bereich korrigieren mussten – und nach der Kor­rektur die FDP doch noch um 0,2 Prozent vorne liegt. Die gan­­ze Demütigung zeigt sich daran, wie sehr sich die FDP von der SVP vorführen lassen muss.

ZUM BEISPIEL ZÜRICH: Nach 40 Jahren verliert der einst so stolze Zürcher Freisinn bei diesen Wahlen mit SVP-Listenverbindung ihren Ständeratssitz. Und dann erst noch durch Aufgabe. FDP-Frau Regine Sauter muss SVP-Mann Gregor Rutz im zweiten Wahlgang den Vortritt lassen.

ZUM BEISPIEL SOLOTHURN: Die Solothurner FDP verstand sich lange als «Volksfreisinn» und blieb auf Distanz zur SVP. Eine Listenverbindung gab es auch heuer keine. Im Ständerat vertrat von 1848 bis 2011 immer mindestens ein FDPler den Kanton. Die Partei gab sich Mühe, den Sitz zurückzugewinnen. Jetzt gibt sie kampflos auf. Zu erfolglos war ihr Kandidat. Den einzig verbliebenen Nationalratssitz konnte die FDP halten. Auf Kurt Fluri, Sohn einer früh verwitweten Weisswäscherin und sozialer Aufsteiger, folgt ­Simon Michel. Ein Milliarden-Erbe aus dem Kanton Bern, der sagt: «Die FDP ist viel näher bei der SVP, als viele meinen.» Ein ehrlicher Mann!

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