Das passt den Bossen nicht: Mindestlöhne quer durchs Land

Mindestlohn-Welle erfasst die Schweiz

Clemens Studer

In immer mehr Kantonen und Städten gelten Mindestlöhne. Dank gewerkschaftlichen Initiativen. Und bald könnten noch mehr dazukommen.

Arbeitgeber-Ideologen wollen keine Mindestlöhne. Nicht in Gesamtarbeitsverträgen, nicht in der Bundesverfassung, nicht in Kantonsverfassungen, nicht in Städten. Geht es um nationale Mindestlöhne, sehen sie den Föderalismus verletzt. Geht’s um kantonale Mindestlöhne, sehen sie die Kantone gegenüber Nachbarkantonen benachteiligt. Und geht es um städtische Mindestlöhne, sehen sie die Städte gegenüber den Agglomerationsgemeinden benachteiligt. Und sagt das Volk Ja, prozessieren sie gerne während Jahren gegen den Volksentscheid, um möglichst lange Dumpinglöhne bezahlen zu können.

So aktuell auch in Zürich und Winterthur, wo die Stimmenden im Juni mit 69 beziehungsweise 66 Prozent deutlich Ja zu städtischen Mindestlöhnen sagten. Ein grosser Erfolg, dessen ­Umsetzung eine Verliererkoalition aus Arbeitgeberverbänden jetzt juristisch verzögert. Ihr trauriges Vorbild dürften die Neuenburger Arbeitgeber sein, die nach einem Volks-Ja zu kantonalen Mindestlöhnen bis vor Bundesgericht zogen um die Einführung von Mindestlöhnen so lange wie möglich zu verzögern und die Überausbeutung der Geringverdienenden durch Dumping-Arbeitgeber zu verlängern. Es gelang ihnen während sechs Jahren, bis das höchste Gericht entschied: kantonale Mindestlöhne sind erlaubt.

Sagt das Volk ja, prozessieren die Arbeitgeber gerne jahrelang dagegen.

ERFOLG UM ERFOLG

Doch die Mindestlohn-Welle rollt weiter: Seit 2014 haben die Kantone Neuenburg, Jura, Genf, Tessin und Basel-Stadt Ja zu entsprechenden Volksinitiativen gesagt und Mindestlöhne eingeführt. Aktuell sind Initiativen in den Kantonen Basel-Landschaft, Waadt und in der Stadt Luzern eingereicht und im politischen Prozess. In den Kantonen Freiburg, Solothurn und Wallis werden Unterschriften gesammelt. In den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau sowie in den Städten Bern und Biel finden Diskussionen für die Einführung eines Mindestlohns statt.

NEUE ANGRIFFE

Die aufgeschreckten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wollen jetzt über ihre rechte Parlamentsmehrheit kantonale und städtische Mindestlöhne von GAV übersteuern lassen. Halten sie daran fest, ist das gewerkschaftliche Referendum programmiert.

Mindestlohn-Tagung: Jetzt anmelden!

25 Jahre Mindestlohn-Kampagne, und es ist noch nicht vorbei. An einer Tagung mit hoch­karätigen Gästen ziehen die Autoren der Studie, Andreas Rieger und David Gallusser, Bilanz und diskutieren die Perspektive für eine neue Mindestlohn-Offensive. Als Referentinnen und Referenten und an der Podiumsdiskussion nehmen teil: Vania Alleva, Präsidentin Unia; Serge ­Gaillard, ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, vormals Leiter des SGB-Zen­tralsekretariats sowie Leiter der Direktion für ­Arbeit im Seco; Catherine Laubscher, ehe­malige Regiosekretärin Unia Neuenburg; ­Alessandro Pelizzari, Direktor der Haute école de travail social et de la santé Lausanne (HETSL) und ehemaliger Regiosekretär der Unia Genf; Paul Rechsteiner, ehemaliger Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) und alt Ständerat.

Weitere Details und das Anmeldeformular gibt es hier.


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