Das offene Ohr

Lohnabrechnung: Kann ich diese beim Arbeitgeber einfordern?

Gilles Sciboz von der Unia-Rechtsabteilung beantwortet Fragen aus der Arbeitswelt.

Mein Bruder hat Anfang Jahr einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen, hat aber bis heute keine schriftliche Lohnabrechnung erhalten. Jetzt ist er auf der Suche nach einer Wohnung, und der Vermieter verlangt die drei letzten Lohnabrechnungen. Was kann mein Bruder tun?

PFLICHT: Der Arbeitgeber muss eine schriftliche Lohnabrechnung abgeben – sofern alles gleich bleibt, allerdings nur im ersten Monat. (Foto: Freepik)

GILLES SCIBOZ: Gemäss dem Obligationenrecht ist die Arbeitgeberin gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet, eine schriftliche Lohnabrechnung auszuhändigen. Diese muss den Brutto- und Nettolohn sowie Zuschläge wie ­Familienzulagen, Gratifikationen, Überstunden oder allfällige Entschädigungen für Arbeit auf Abruf enthalten. Wenn sich einer der Beträge ändert, muss erneut eine schriftliche Lohnabrechnung ausgehändigt werden. Wenn die Beträge das ganze Jahr über gleich bleiben, ist die erste Lohnabrechnung ausreichend. Ihr Bruder sollte sich an seine Arbeitgeberin wenden und die ­nötigen Lohnabrechnungen verlangen. Wenn die Arbeitgeberin dies verweigert, kann Ihr Bruder beim zuständigen ­Arbeitsgericht ein Schlichtungsgesuch einleiten.

Kündigung in der Probezeit: Habe ich Anrecht auf die obligatorische Vorsorge?

Meiner Mutter wurde während der ­Probezeit gekündigt. Sie verfügte aber über einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber sagt, dass er meine Mutter keiner Vorsorgeeinrichtung melden müsse, weil die Anstellung weniger als drei Monate gedauert habe. Stimmt das?

GILLES SCIBOZ: Nein. Bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag beginnt die ­obligatorische berufliche Vorsorgever­sicherung mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses. Die Anstellungsdauer spielt in diesem Fall keine Rolle. Wenn das Arbeitsverhältnis lediglich für eine Dauer von bis zu drei Monaten abgeschlossen wird, besteht keine Versicherungspflicht. Folgt hingegen ein weiterer befristeter Vertrag und beträgt die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses dann mehr als drei Monate, muss eine Vorsorgeversicherung abgeschlossen werden. Aufgrund des unbefristeten Vertrages hat Ihre Mutter Anspruch auf ein Vorsorgeguthaben (Freizügigkeitsleistung), das aufgrund der Anstellungsdauer berechnet wird. Wenn der Arbeitgeber dies nicht anerkennt, kann Ihre Mutter direkt mit der Vorsorge­einrichtung Kontakt aufnehmen. Die ­Vorsorgeeinrichtung muss dann das Vorsorgeguthaben in Bezug auf die Anstellungsdauer berechnen. Die Hälfte der Bei­träge muss von Ihrer Mutter und die ­andere Hälfte vom Arbeitgeber bezahlt werden.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.