Künzi streikt!

Für Coiffeusen

Sandra Künzi

Sandra Künzi lebt und büglet in Bern. Sie mag Jassen, Schafe, Feuer und Bier. Zurzeit bereitet sie sich und uns auf den Frauenstreik vom 14. Juni 2023 vor: Ahoi!

Wenn ich jung wäre, würde ich Coiffeuse lernen. Erstens finde ich schöne Frisuren schön, und zweitens braucht man Coiffeusen immer, weil Haare wachsen ja immer, ausser wenn man keine mehr hat. Oder Rastas.

HÖÖRLISKLAVIN. Als ich dann zu meiner Coiffeuse Nadine ging, hab ich ihr gleich gesagt: «Nadine, wenn ich jung wäre, würde ich auch Coiffeuse werden.» Ich dachte, sie freut sich. Aber kaum hatte ich es gesagt, riss sie mir ein Büschel Haare aus. «Entschuldige», sagte sie und nahm die Schere. Das solle ich mir besser nochmals überlegen. Erstens habe sie geschwollene ­Beine vom vielen Stehen, zweitens könne ich mir nicht vorstellen, was sie sich alles an­hören müsse von der Kundschaft von morgens bis abends und noch am Samstag, wenn andere freihaben. Drittens sei die Bezahlung miserabel. Sie arbeite jetzt zehn Jahre als «Höörlisklavin» und verdiene nur Viertausend im Monat. «Viertausend!» rief sie und schnitt schneller. Über meinem rechten Ohr klaffte eine Art Haarloch, darum musste Nadine auf der linken Seite ausgleichen. Ich traute mich nicht, etwas zu sagen. Nadine rief, es sei ja klar, warum ihr Lohn so niedrig sei, oder?

Ich konnte weder nicken (zu riskant wegen der Schere) noch fragen, warum (sie redete einfach weiter): «Es ist eben ein typischer Frauenberuf! Deswegen. Floristin, Kinderbetreuerin, Zahnarzthelferin, Coiffeuse. Die denken, die Frauen ­machen das alles von Natur aus gerne, all de Seich mit Bluuumen, Dekooo, Windeeeln und Ausseeehen …», sie dehnte jedes Wort so komisch, «… ha, drum müssen sie uns nicht gut bezahlen, oder was? Ist das meine biologische Veranlagung, wenig zu verdienen, oder was?» Sie schnitt und schnitt, immer schneller, und ich machte sicherheitshalber die Augen zu. Als sie fertig war, hatte ich eine extreme Kurzhaarfrisur, mit Betonung auf «extrem» und «kurz» – und Herzrasen.

UNTER STROM. Ich nehm’s Nadine echt nicht übel. Sie hat allen Grund, sauer zu sein. Aber ich habe mich umentschieden: Ich würde doch lieber Elektrikerin lernen. Der Lohn ist zwar auch nicht übermässig, aber immerhin: 5000 im Monat (ab 5. Berufsjahr). Und Elektrikerinnen werden auch immer gebraucht, sogar von denen, die keine Haare mehr haben.

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