«Ausserordentliche Session» zum CS-Debakel

Ein Nein ohne Folgen und pfludiweiche Aufträge

Clemens Studer

SP, Grüne und SVP mochten Finanzministerin Keller-Sutters Bankenrettungsdeal nicht abnicken. Doch sonst bekam sie und die Finanz­industrie, was sie wollten: die Lizenz zum Zeitspiel. Viel versprechen, wenig machen – bis nach den Wahlen und bis zum nächsten Crash.

VOLKS-MILLIARDEN-ZOCKERIN: FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter bekam zwar den Segen des Parlaments nicht, die Finanzindustrie dürfte mit ihr trotzdem zufrieden sein. (Foto: Keystone)

Die Credit Suisse hat während Jahrzehnten weltweit Skandal an Skandal gereiht, mehr Boni ausbezahlt als Gewinn erwirtschaftet und den Aktienkurs auf mikroskopische Grösse geschrumpft. Sie profitierte davon, dass die rechte Parlamentsmehrheit nach der UBS-Rettung 2008 viel von «nie wieder» geredet, aber sämtliche Vorschläge zur Zähmung der Grossbanken abgelehnt hat. Stattdessen trugen SVP, FDP, GLP und Mitte das «Too big to fail»-Konzept wie eine Monstranz vor sich her. Dieses erwies sich bei der ersten Gelegenheit, für die es ­eigentlich gedacht war, als das, wofür es die Linke immer gehalten hatte: als unbrauchbar.

Ebenfalls als nicht wirklich brauchbar erwies sich die Finanzmarktaufsicht (Finma). Zwischen ihr und der Finanzindustrie ist eine Drehtür eingebaut: mal ist man Kontrolleurin, mal Kontrollierte. Die Finma führt zwar 600 Mitarbeitende auf der Lohnliste. Von denen «beaufsichtigten» gerade mal sechs fix die CS. Ab dem vergangenen Sommer spitzte sich die Lage der Credit Suisse zunehmend zu. Aufsicht und Bundesrat wurden informiert. SVP-Finanzminister Ueli Maurer zog es daraufhin offensichtlich vor, seinen Rücktritt zu geben, bevor die Bombe detonierte. Am 19. März legten dann Bundesrat und Nationalbank notfallmässig 259 Milliarden Franken auf den Tisch des internationalen Finanzcasinos, um das herrschende Bankensystem zu retten (work berichtete rebrand.ly/UBS-CS-Deal). In der Woche nach der Bankenrettung kündigte Finanzministerin Keller-Sutter einen Angriff auf die Witwenrenten an und verkündete die Absicht, bei den Bundesbeiträgen für die AHV zu kürzen.

Entscheiden konnte das Parlament zu den Milliarden für den UBS-CS-Deal real nichts.

DIE «AUSSERORDENTLICHE»

Weil die Milliardenspritze für das Bankensystem ausserhalb der ordentlichen Kompetenzen des Bundesrates liegt, griff die Regierung zu Notrecht. So wie das die Bürgerlichen immer tun, wenn die Interessen des Kapitals gefährdet sind. Das Parlament sollte sie im nachhinein absegnen. In diesem Jahrhundert gab es erst drei «ausserordentliche Sessionen». Zwei Mal spielten die Finanzindus­trie (Swissair-Grounding und jetzt CS-Crash) eine Rolle, einmal ging es um eine andere Seuche (Corona). Zu entscheiden hatten die Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu den Milliarden für den UBS-CS-Deal real nichts. Denn der Bundesrat hatte schon unterschrieben. Darum ist das Nein nicht mehr als ein Zeichen: Die Volksmilliarden bleiben auf dem Casino-Tisch.

VIELE WORTE, KAUM TATEN

Während der zwei Sessionstage gaben sich FDP, GLP und Mitte verbal empört über die «Versager-Manager» der CS. Um sich einen Atemzug später gegen jegliche wirksamen Massnahmen auszusprechen. Sie warnten vor «unbedachten Schnellschüssen», «Hüftschüssen» und «Schüssen ins eigene Bein», als könnten die verbalen Knaller übertönen, dass es ja die Bürgerlichen waren, die das Bankstertum am Paradeplatz erst ermöglichten und weiter ermöglichen wollen. Sie plädierten für «eine Auslegeordnung», für «saubere Analysen» – ganz so, als lägen die Fakten nicht längst auf dem Tisch, wenn sie von rechts nicht seit Jahrzehnten unter ebendiesen gewischt würden. Sie hoffen, so weiterfahren zu können wie bisher.

Statt Massnahmen zu beschliessen, überwies das Parlament ein paar Prüfaufträgli, für deren Erledigung sich der Bundesrat Zeit lassen will.

Fast erhellender, als was SVP, FDP, GLP und Mitte angeblich oder tatsächlich wollen, war denn auch, was sie nicht wollen. Beziehungsweise, worüber sie gar nicht sprechen mochten. Ein paar Beispiele:

  • die längst behandlungsreife SP-Motion zum Thema «Wirksame Sanktionen der Finma gegen fehlbare Finanzinstitute»;
  • die längst behandlungsreife SP-Motion zum Thema «Höhere Eigenkapitalanforderungen an global tätige Grossbanken»;
  • die längst behandlungsreife SP-Motion mit dem Titel «Keine Bonuszahlungen für systemrelevante Banken»;
  • die längst behandlungsreife Interpellation zu «Verbesserungspotential bei der Strategie der Finma zur Beurteilung der Risiken und Szenarien?»;
  • eine Taskforce zur Sicherung der Tausende von Arbeitsplätzen, die wegen der CS-Übernahme durch die UBS akut gefährdet sind.

WAS KOMMT?

Der Bundesrat prüft jetzt, was ihm das Parlament zur Prüfung überwiesen hat. Dafür wird er Monate beanspruchen. Ob den markigen Worten und Beteuerungen von SVP, FDP, GLP und Mitte auch Taten folgen werden, wissen wir erst nach den Wahlen. Die Erfahrungen aus der letzten Bankenrettung zeigen: Daran sind erhebliche Zweifel angebracht. Ob eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zu den ganzen Vorgängen um die CS und ihrer mit 259 Milliarden Volksvermögen forcierten Übernahme durch die UBS eingesetzt wird, wird frühstens in der Sommersession entschieden. Allfällige Ergebnisse gib es auch hier logischerweise erst nach den Wahlen.

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