Clemens Studer
Seit der «Tages-Anzeiger» sein Kolumnen-Team noch weiter Richtung Sozialabbau gerückt hat, darf auch Kathrin Bertschy schreiben. Die GLP-Nationalrätin ist «Alliance F»-Co-Präsidentin und – wie wir in ihrer neusten Kolumne erfahren – neidisch auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Der steckt bekanntlich gerade sein Land in Brand, weil er einen riesigen Rentenklau plant. Nicht nur am Volk, sondern auch am Parlament vorbei.
Die GLP macht Politik für jene mit drei Mal mehr Vermögen als alle anderen zusammen.
DIE «SCHWACHEN». Diese Art von Rentenpolitik imponiert Bertschy: «In Frankreich ist es einfach, etwas durchzusetzen.» Und sie hadert mit unserer Demokratie: «In unserem direktdemokratischen System hat hingegen stets die Stimmbevölkerung das letzte Wort. Bei uns muss sich zuerst eine Mehrheit der Parteien zusammenraufen und dann die Bevölkerung überzeugen. Seit 20 Jahren hat das nicht mehr funktioniert.» Das findet Bertschy total störend und daneben, denn «Reformen zugunsten demographisch schwacher Gruppen haben es schwer. Selbst wenn sie gerecht wären.»
Schauen wir mal, was «demographisch schwach» bedeutet: Zu den soziodemographischen Merkmalen gehören etwa Alter, Geschlecht, Bildung, ethnische Zugehörigkeit, Familienstand, Haushalt, Beschäftigung, Einkommen und Vermögen. Je mehr Menschen ein Merkmal aufweisen, desto «stärker» ist die entsprechende Gruppe. Über ihre tatsächliche Macht, etwas durchzusetzen, sagt das erst einmal nichts aus.
ISLÄNDERINNEN. Zum Beispiel können ein Viertel der in der Schweiz lebenden Menschen nicht abstimmen und wählen, weil sie keinen Schweizer Pass haben. 25 Prozent ist eine demographisch starke Gruppe. Hingegen ist die Gruppe der Menschen mit mehr als 10 Milliarden Franken Vermögen demographisch sehr schwach. Laut «Bilanz» sind es gerade mal 17 Personen oder Clans. Da ist zum Beispiel die Gruppe der ständig in der Schweiz lebenden Isländerinnen und Isländer demographisch schon stärker: 499 waren es per Ende 2021 laut Bundesamt für Statistik. Demographisch noch viel stärker sind die unter oder an der Armutsgrenze lebenden Rentnerinnen und Rentner: laut Pro Senectute
300 000 Menschen
WELCHE «SCHWACHEN»? Die «Schwachen», für die sich die GLP einsetzt, sind die «demographisch schwachen»
10 Prozent, die drei Mal mehr Vermögen haben als die anderen 90 Prozent zusammen. Und es sind die «demographisch schwachen» Abzocker-Manager, die im Jahr 307 Mal mehr kassieren als die Mitarbeitenden mit dem tiefsten Lohn im Unternehmen. Also solche «Schwache» wie CS-Verwaltungsrat und Roche-CEO Severin Schwan 2021.
Emmanuel Macron wird die GLP-Fanpost nicht gelesen haben. Alle, die in der Schweiz abstimmen und wählen können, sollten sie sich allerdings gut merken.