Neuer Gewerbeverband-Direktor: Plagiatsvorwürfe und spurenlose «unternehmerische Tätigkeiten»

Schreiben die Gewerbler Schneider jetzt ab?

Clemens Studer

Ab dem 1. Juli soll Henrique Schneider als neuer Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes amten. Jetzt erhebt die «NZZ am Sonntag» happige Vorwürfe. Und der Gewerbeverband lanciert eine Untersuchung.

MIT FLASCHE, GLAS UND BUNDESRÄTEN: Henrique Schneider bei einem «Nebelspalter»-Termin. (Foto: Youtube)

Seit rund 13 Jahren arbeitet Henrique Schneider beim Schweizerischen Gewerbeverband (SGV). Seit 2015 als Vizedirektor. Daneben hatte Schneider offenbar viel Zeit für publizistische Tätigkeiten. Ob die auch wissenschaftlich waren, stellt jetzt die «NZZ am Sonntag» in Frage. Ein von ihr beauftragter Plagiatsexperte kommt zu einem vernichtenden Fazit (siehe Box). Den ganzen Untersuchungsbericht von Stefan Weber im Original gibt es hier: rebrand.ly/schneiderschreibt.

RECHTSRANDSTÄNDIG

Schneider ist der Ziehsohn von Hans-Ulrich Bigler, der den Gewerbeverband in den vergangenen Jahren zur Frontorganisation der SVP umgemodelt hat – und damit auch verbandsintern auf Kritik stiess (die work-Würdigung von Biglers Schaffen gibt’s hier: rebrand.ly/saeuliamt). Während Bigler ein rechter Polteri ist, inszeniert sich Schneider als rechter Intellektueller, erzählt gerne von seiner Studentenzeit in den USA, in China und an der St. Galler HSG. Veröffentlicht da und dort in rechten Medien. Und auch schon mal in «Eigentümlich.Frei», einem deutschen Libertären-Heft, in dem auch Faschisten publizieren. Für die rechtsnationalistische deutsche AfD verfasste Schneider 2021 ein Gutachten über «Umerziehung» im Schulwesen. Auch da ging es offenbar nicht ohne Plagiate, wie das NZZaS-Gutachten aufzeigt. Doch Schneider treibt sich nicht nur am äussersten rechten politischen Rand umher (work berichtete: rebrand.ly/schneiderpubliziert), sondern schmückt sich dort und anderswo auch mit falschen Titeln. Oder lässt sich schmücken.

Während die Berichte über Schneiders rechtsrandständiges Verhalten den SGV-Vorstand nicht zu stören schienen, reagierte er auf den NZZaS-Bericht mit einer ausserordentlichen Sitzung am Morgen des 21. März. Kommuniziertes Ergebnis: Eine externe Person soll die Plagiatsvorwürfe klären. Weitere Informationen gibt es vorläufig kein

IMMERHIN EIN UNTERNEHMER?

Noch pikanter als die mutmasslichen wissenschaftlichen Unsauberkeiten: Offensichtlich werfen auch die tatsächlichen oder angeblichen «unternehmerischen Tätigkeiten» von Schneider Fragen auf. Die NZZaS zitiert aus dem Portrait der privaten deutschen «Nordakademie», die Schneider als Professor beschäftigt, folgenden Satz: «Neben seinen Aufsichtsratsmandaten ist er (also Schneider, Red.) selber an Unternehmen in Asien und Südamerika beteiligt.» Und stellt dann fest: «Als Mitglied der Wettbewerbskommission (Weko) muss Schneider seine Inter­essenbindungen offenlegen. Doch am entsprechenden Ort finden sich keine Hinweise auf Mandate oder Beteiligungen an privaten Unternehmen in der Schweiz – geschweige denn in Asien oder Südamerika. Entweder gibt es diese nicht, oder Schneider hat es unterlassen, sie anzugeben.» Beide Varianten wären nicht gerade ein Ruhmesblatt für einen SGV-Direktor. Übrigens: Bis vor kurzem wies Schneider im offiziellen Weko-Verzeichnis aus, er sei Verwaltungsrat eines Manhattan Family Offices (MFO). Merkwürdig nur: im Handelsregister von New York taucht Schneider im Zusammenhang mit dieser Firma nicht auf. Und die NZZaS legte nach der Veröffentlichung der SGV-Medienmitteilung nach. So stellen sich unter anderem auch Fragen zu der Tätigkeit von Schneiders früherer Einzelfirma «The Choice». Die Zeitung stellt trocken fest: «Schneider fällt immer wieder durch Ungereimtheiten in seinen biographischen Auskünften auf.»

HÖHERES RENTENALTER FÜR BIGLER?

Das SGV-Communiqué lässt offen, ob auch Schneiders Angaben zu seinen «unternehmerischen Tätigkeiten» Teil der in Auftrag gegebenen Untersuchung sind. Auf Nachfrage ergänzt SGV-Präsident und Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi: «Die Untersuchung umfasst den gesamten Lebenslauf.» Schneider selbst schreibt work: «Mein unternehmerisches Engagement ist privat, und ich möchte es so behalten, da es nichts mit dem SGV zu tun hat.» Offenbar so privat, dass nicht einmal das Handelsregister von New York davon etwas weiss.

Der SGV will die Untersuchung bis zum ­geplanten Amtsantritt von Schneider abgeschlossen haben. Bis dahin sind es noch rund 13 Wochen. Dann wissen wir, ob die Gewerbler Schneider schon vor Amtsantritt abschreiben. Oder ob gar der vom Zürcher Volk als Nationalrat (FDP) abgewählte und als Kantonsrat (SVP) nicht gewählte Hans-Ulrich Bigler seine Frühpensionierung hinausschieben muss. Ideologisch zumindest sollte das für Bigler kein Problem sein, ­plädiert er doch seit Jahren für Rentenalter 68 und höher.

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