Künzi streikt!

Für echte Werte

Sandra Künzi

Sandra Künzi lebt und büglet in Bern. Sie mag Jassen, Schafe, Feuer und Bier. Zurzeit bereitet sie sich und uns auf den Frauenstreik vom 14. Juni 2023 vor: Ahoi!

Kürzlich hatte ich Sex mit einem Banker, den ich zufällig online kennengelernt hatte. Es war ganz gut, obwohl wir nicht viel gemeinsam haben. Er ist mehr so Golf und Geld und ich mehr so Kultur und Berge. Nach dem Sex fragte er mich, wie ich denn mein Geld anlege? Ich weiss nicht, warum, aber ich log: «Ach, ich weiss noch nicht, was ich mit den 500 000 machen soll, die ich kürzlich geerbt habe.» Der Mann wurde hellwach. Ja klar, 500 000 sei nicht viel, aber Elon Musk habe ja auch nur eine wert­lose Smaragdmine geerbt, und jetzt besitze er Twitter. Ich müsse nur das Geld für mich ­arbeiten lassen. Ich finde das immer komisch, wenn die Leute sagen, dass das Geld für sie arbeite. Weil vermutlich arbeiten vor allem die Angestellten der Firmen, in die man investiert hat, und nicht das Geld.

CRAZYWOLF. Ich sagte dem Bänker, dass ich nicht drauskomme mit Finanzsachen. «Umso besser», rief er «Umso besser! Ich weiss, was du brauchst!» Ich hätte lieber noch etwas rumgefummelt, aber gegen die Erotik von risikoreichen Finanzanlagestrategien hatte ich keinen Stich. Der Mann war nicht zu bremsen. Er habe genau das Richtige für mich, einen Aktienfonds der Topklasse. «Sind Aktienfonds der Risikoklasse 7 nicht ziemlich riskant?» fragte ich. Er lachte laut, blickte mir tief in die Augen und hielt dazu mein Gesicht, dass es mir schon ein bitzli unangenehm wurde. «Baby, vertraust du mir?» Nein, dachte ich, ich kenn dich nur vom Internet, und du heisst vermutlich Hansruedi und nicht Crazywolf. «Das Vermögen der 300 reichsten Schweizer hat sich in den letzten Jahren verdoppelt! Verstehst du? Einfach so!» Ich nickte sicherheitshalber, obwohl ich genau das nicht verstand. Wie kann sich Geld aus dem Nichts vermehren? Und warum ausgerechnet bei denen, die eh schon zu viel haben?

WALLSTREET 2. Er atmete schneller, und ich hatte Angst, dass er gleich kollabiere. Ich hatte null Lust, an der Réception zu sagen, dass oben ein toter Mann liege, der vielleicht Hansruedi heisse. «Wer hat, dem wird gegeben, Baby! Wer hat, dem wird gegeben!» schrie Crazywolf wie der Prediger einer entfesselten Freikirche. Dazu tanzte er auf dem Bett mit erhobenen Armen und glänzenden Augen. Dann brüllte er so was wie «Elon, ich komme!» und sackte zusammen. Investmentbanking ist echt eine Welt für sich. Nur blöd, wenn dann die Arbeiterklasse ohne Vermögen Banken retten muss, weil die sich verspekuliert haben, trotz den 32 Milliarden Boni für was schon wieder? Ich ging zu Schagge, und wir schauten Wallstreet 2.

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